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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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bloß Pomologe.«
    »Nun, nun«, sagte die Prinzessin, »das ist viel auf einmal. Aber sprich nur weiter.«
    »Er ist unklar und halb, und diese Halbheit wird ihn noch in Ungelegenheiten bringen. Er geriert sich als Schleswig-Holsteiner und steht doch als Kammerherr im Dienst einer ausgesprochen dänischen Prinzessin; er ist der leibhafte genealogische Kalender, der alle Rosenberge, den Filehner Zweig abgerechnet, am Schnürchen herzuzählen weiß, und spielt sich trotzdem auf Liberalismus und Aufklärung aus. Ich kenn ihn noch nicht lange genug, um ihn auf all seinen Halbheiten ertappt zu haben, aber ich bin ganz sicher, daß sie sich auf jedem Gebiete finden. Ich bezweifle zum Beispiel keinen Augenblick, daß er jeden Sonntag in seiner Dorfkirche sitzt und jedesmal aus seinem Halbschlummer auffährt, wenn die Glaubensartikel verlesen werden, aber ich bezweifle, daß er weiß, was drinsteht, und wenn er's weiß, so glaubt er's nicht. Trotzdem aber schnellt er in die Höh oder vielleicht auch gerade deshalb.«
    »Ebba, du gehst zu weit.«
    »O durchaus nicht. Ich will vielmehr eine noch viel gewichtigere Halbheit nennen. Er ist moralisch, ja beinah tugendhaft und schielt doch begehrlich nach der Lebemannschaft hinüber. Und diese Halbheit ist die schlimmste, schlimmer als die Halbheit in den sogenannten großen Fragen, die meistens keine sind.«
    »Nur zu wahr. Aber hier, liebe Ebba, hab ich dich just da, wo ich dich haben und halten will. Er schielt begehrlich nach der Lebemannschaft hinüber, sagst du. Leider hast du's damit getroffen; ich seh es mit jedem Tage mehr. Aber weil er diese Schwäche hat, müssen wir ihm goldene Brücken bauen, nicht zum Angriff, wohl aber zum Rückzug. Du darfst ihm nicht, wie du jetzt tust, unausgesetzt etwas irrlichterlich vorflackern. Er ist schon geblendet genug. Solange er hier ist, mußt du dein Licht unter den Scheffel stellen. Ich weiß wohl, daß das viel gefordert ist, denn wer ein Licht hat, der will es auch leuchten lassen; aber du mußt mir das Opfer bringen, und wenn es dir schwerfällt, so behalte zu deinem Trost im Auge, daß seines Bleibens hier nicht ewig sein wird. Um Neujahr geht er zurück, und haben wir erst wieder, wohl oder übel, unsere alte Trias um uns her, so tu, was du willst, heirate Pentz oder mache mit Erichsen oder gar mit Bille, dessen Masern doch mal ein Ende nehmen müssen, eine Eskapade, mir soll es recht sein. Vielleicht verdrängst du auch noch die Gräfin, ich meine nicht die Holk, sondern die Danner, und das wäre vielleicht das Beste.«
    Ebba schüttelte den Kopf. »Das darf nicht sein, die Danner verdrängen, da wär ich nicht mehr die dankbar ergebene Dienerin meiner gnädigsten Prinzessin.«
    »Ach Ebba, sprich nicht so, du täuschst mich dadurch nicht. Ich habe soviel Dank von dir, wie dir gerade paßt. Ich tu auch nichts um Dankes willen. Das Undankbarste, weil Unklügste, was es gibt, ist Dank erwarten. Aber das mit Holk, das überlege.«
    »Verzeihung, gnädigste Prinzessin. Aber was soll ich überlegen? Solang ich denken kann, heißt es: ›ein Mädchen soll sich selber schützen‹ und ist auch recht so; man muß es können. Und wer es nicht kann, nun, der will es nicht. Also gut, wir sollen uns schützen. Aber was ist ein junges Mädchen gegen einen ausgewachsenen Grafen von fünfundvierzig, der jeden Tag ein Enkelkind über die Taufe halten kann. Wenn sich wer selber schützen muß, so ist es ein Graf, der, glaub ich, siebzehn Jahre verheiratet ist und eine tüchtige und ausgezeichnete Frau hat und eine sehr hübsche dazu, wie mir Pentz erst heute noch versicherte.«
    »Gerade dieser Frau halber ist es, daß ich in dich dringe...«
    »Nun, wenn gnädigste Prinzessin befehlen, so werd ich zu gehorchen suchen. Aber bin ich die richtige Adresse? Nun und nimmermehr. Holk ist es. Er ist seiner Frau Treue schuldig, nicht ich, und wenn er diese nicht hält, so kommt es auf ihn und nicht auf mich. Soll ich meines Bruders Hüter sein?«
    »Ach, daß du recht hast«, sagte die Prinzessin und fuhr mit der Hand über das blonde Wellenhaar Ebbas. »Aber wie's auch sei, du weißt, man beobachtet uns, weil wir unsrerseits auch alles beobachten, und ich möchte nicht gern, daß wir uns vor dem König und seiner Gräfin eine Blöße gäben.«
     
    An dem dienstfreien Tage, der diesem Gespräche folgte, hatte Holk vor, allerlei Briefschulden abzutragen.
    Vor ihm lag die ganze Korrespondenz der letzten vierzehn Tage, darunter auch Briefe der Gräfin.

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