Unwiederbringlich
Liebesinseln des Mälarsees hin- und herfahren, und da man die Stockholmer Gondolieri so gut bestechen kann wie die venezianischen, so lagen die Motive für des Prinzen Aufmerksamkeiten sehr bald offen zutage; sie hießen einfach: Fräulein Ebba. Da gab es denn selbstverständlich eine Szene. Trotz alledem wollte die Königin, die geradeso vernarrt in das Fräulein war wie unsere Prinzessin, von Entlassung oder gar Ungnade nichts wissen und gab nur ungern und sehr wiederstrebend einer Pression von seiten des Hofes nach. Am meisten gegen sie war der König, der in allem klarsah...«
»Also daher so leidenschaftlich antibernadottisch«, sagte Holk, der sich plötzlich einiger Bemerkungen erinnerte, die das Fräulein auf dem Wege zur Eremitage gemacht hatte. »Daher die glühende Begeisterung für Haus Wasa.«
»Haus Wasa«, lachte Pentz. »Ja, das ist jetzt ihre Lieblingswendung. Und doch, glauben Sie mir, hat es Stunden und Tage gegeben, wo die Rosenberg das ganze Haus Wasa, den großen Gustav Adolf mit eingerechnet, für den Ringfinger eines jüngsten Bernadotte hingegeben hätte. Vielleicht ist es noch so, vielleicht sind die Brücken nach Schweden hinüber noch immer nicht ganz abgebrochen, wenigstens bis ganz vor kurzem ging noch eine Korrespondenz. Erst seit diesem Herbst schweigt alles und treffen, soviel ich weiß, keine Briefe mehr ein. Mutmaßlich ist was anderes im Werke. Ebba hat nämlich immer mehrere Eisen im Feuer.«
»Und weiß die Prinzessin davon?«
»Was diese schwedische Vergangenheit betrifft, gewiß alles, ja vielleicht noch mehr als alles. Denn mitunter empfiehlt es sich auch, aus purer Erfindung noch was hinzuzutun. Das steigert dann das Pikante. Liebesgeschichten dürfen nicht halb sein, und wenn es sich so trifft, daß die mitleidslose Wirklichkeit den Faden vor der Zeit abschnitt, so muß er künstlich weitergesponnen werden. Das verlangt jeder Leser im Roman, und das verlangt auch unsere Prinzessin.«
An dieser Stelle brach das Geplauder ab, denn man hatte Vincent erreicht, und als man, eine Stunde später, das Restaurant wieder verließ, geschah es in Gesellschaft anderer, so daß das Gespräch nicht wiederaufgenommen werden konnte.
Witwe Hansen zeigte sich ziemlich einsilbig, als Holk in den Hausflur eintrat, und beschränkte sich auf Behändigung eines Telegramms, das im Laufe des Nachmittags eingetroffen war. Es bestand aus wenig Worten, in denen Christine mit einer Kürze, die jedem Geschäftsmanne zur Zierde gereicht haben würde, nur drei Dinge an Holk vermeldete: Dank für seine Zeilen, Genugtuung über sein Wohlergehen und Inaussichtstellung eines längeren Briefes ihrerseits. Holk hatte das Telegramm noch unten im Flur überflogen, bot gleich danach, unter Ablehnung ihrer Begleitung, der Frau Hansen eine gute Nacht und stieg dann in seine Zimmer hinauf, wo die Lampe schon brannte. Daß ihn Christinens Worte besonders beschäftigt hätten, ließ sich nicht sagen, er dachte mehr an Pentz als an das Telegramm und sah weiteren Mitteilungen über Ebba mit mehr Neugierde entgegen als dem in Aussicht gestellten Briefe. Vor dem Einschlafen schwanden aber auch diese Gedanken wieder, denn mit einem Male war ihm, als ob er ganz deutlich ein Gekicher und dazwischen einen feinen durchdringenden Ton wie vom Anstoßen geschliffener Gläser höre. War es im Hause nebenan oder war es direkt unter ihm? Es berührte ihn wenig angenehm und um so weniger, als er sich nicht verhehlen konnte, daß etwas von Eifersucht mit im Spiele war, Eifersucht auf die »Sicherheitsbehörde«. Dies Wort indessen barg auch wieder die Heilung in sich, und als er es vor sich hin gesprochen, kam ihm seine gute Laune wieder und bald danach auch der Schlaf.
Am andern Morgen erschien die jüngere Hansen mit dem Frühstück, und als Holk sie musterte, war er fast beschämt über die Gedanken, mit denen er gestern eingeschlafen war. Brigitte sah aus wie der helle Tag, Teint und Auge klar, und eine ruhige frauenhafte Schönheit, fast wie Unschuld, war über sie ausgegossen. Dabei war sie schweigsam wie gewöhnlich, und nur als sie gehen wollte, wandte sie sich noch einmal und sagte: »Der Herr Graf sind hoffentlich nicht gestört worden. Mutter und ich haben bis nach zwölf kein Auge zugetan. Es sind so sonderbare Leute nebenan, unruhig bis in die Nacht hinein, und man hört jedes Wort an der Wand hin. Und wenn es dabei bliebe...« Der Graf versicherte, nichts gehört zu haben, und als Brigitte fort war, war er
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