Unwiederbringlich
entsetzlich zugigen Marktplatz (denn es weht wieder von allen vier Seiten her) bloß halten lassen, um mich Ihres Besuches, und zwar für heut abend noch, zu versichern... Aber ich vergesse, die Herren miteinander bekannt zu machen, Pastor Schleppegrell, Graf Holk...«
Beide verneigten sich.
»Und seien Sie, lieber Pastor, bei Geduld und guter Laune. Graf Holk ist übrigens Genealog, also Bruchstück eines Historikers, und wird Ihnen als solcher, und als ein vorzüglicher Frager, der er ist, Gelegenheit zu gelehrter Unterhaltung bieten. Denn man unterhält sich am besten, wenn man gefragt wird und antworten kann. Daß ich selber neugierig bin, wissen Sie; für etwas Beßres mag ich meine Fragelust nicht ausgeben. Und bringen Sie die liebe Frau mit. In Hilleröd und Frederiksborg schmeckt mir der Tee nur, wenn ihn mir meine liebe Freundin aus dem Pastorhause präsentiert. Ja, Ebba, das ist nun mal so, darin mußt du dich finden und darfst nicht eifersüchtig sein. Aber ich ertappe mich wieder auf einer zweiten Unterlassungssünde: Pastor Schleppegrell, Fräulein Ebba von Rosenberg.«
Der Pastor begrüßte das Fräulein und versprach nicht nur zu kommen, sondern auch seine Frau mitzubringen, und gleich danach setzte sich die Fahrt vom Marktplatz aus nach dem Schlosse hin fort, nachdem Holk, der Aufforderung der Prinzessin gehorchend, für die verbleibende kurze Strecke den Rücksitz des Wagens eingenommen hatte. Hier saß er neben Ebba, der Schimmelmann gegenüber, und fühlte sich angeregt genug, um noch den Versuch einer Konversation zu machen.
»Pastor Schleppegrell hat etwas Imponierendes in seiner Erscheinung und dabei doch eine Gemütlichkeit, die das Imponierende wieder dämpft. Ich habe wenig Menschen so ruhig und so sicher mit einer Prinzessin sprechen sehen. Ist er ein Demokrat? Oder ein Dissenter-General?«
»Nein«, lachte die Prinzessin. »Schleppegrell ist kein Dissenter-General, aber er ist freilich der Bruder eines wirklichen Generals, der Bruder von General Schleppegrell, der bei Idstedt fiel. Vielleicht zu rechter Zeit. Denn de Meza übernahm das Kommando.«
»Ah«, sagte Holk. »Also daher.«
»Nein, lieber Holk, auch nicht
daher
; ich muß leider noch einmal widersprechen. Das, was Sie ›seine Sicherheit‹ nennen, hat einen ganz andern Grund. Er kam mit zwanzig Jahren an den Hof, als Lehrer, sogar als Religionslehrer, verschiedener junger Prinzessinnen, und das andre können Sie sich denken. Er hat zu viel junge Prinzessinnen gesehen, um sich durch alte noch imponieren zu lassen. Übrigens sind wir ihm und seiner klugen Zurückhaltung zu großem Danke verpflichtet, denn es lag dreimal so, daß er, wenn er gewollt hätte, jetzt mit zur Familie zählen würde. Schleppegrell war immer sehr verständig. Nebenher habe ich nicht den Mut, den Prinzessinnen von damals einen besondern Vorwurf zu machen. Er war wirklich ein sehr schöner Mann und dabei christlich und ablehnend zugleich. Da widerstehe, wer mag.«
Holk erheiterte sich, Ebba mit ihm, und selbst über die Züge der Schimmelmann ging ein Lächeln. Man sah, die Prinzessin war in bester Stimmung, und nahm es als ein gutes Zeichen für die Tage, die bevorstanden. Und während man noch so plauderte, fuhr der Wagen über ein paar schmale Brücken in den Schloßhof ein und hielt gleich danach vor dem Portale von Frederiksborg.
Zwanzigstes Kapitel
Dienerschaften mit Windlichtern warteten schon und schritten voran, als die Prinzessin die breite, vom ersten Podest an doppelarmige Treppe hinaufstieg, um oben ihre nicht allzu zahlreichen Gemächer in dem von zwei Türmen flankierten Mittelteile des Schlosses zu beziehen. Diese Türme standen in zwei scharfen Ecken, die durch die vorspringenden Seitenflügel gebildet wurden, zwischen denen wiederum eine die Verbindung herstellende Kolonnade lief.
Auf dem ersten Podest, und zwar auf einem daselbst aufgestellten kleinen Rokoko-Kanapee, nahm die Prinzessin, asthmatisch wie sie war, einen Augenblick Platz und entließ dann die Herren und Damen ihres Gefolges mit der Aufforderung, sich's in ihren Turmzimmern nach Möglichkeit bequem zu machen. Um sieben, so setzte sie zu Holk gewandt hinzu, sei wie gewöhnlich die Teestunde; Pastor Schleppegrell und Frau kämen allerdings etwas früher, um ihr die Hilleröder Neuigkeiten mitzuteilen, worauf sie sich aufrichtig freue; kleinstädtische Vorgänge seien eigentlich immer das Interessanteste, man müsse so herzlich darüber lachen, und wenn man alt
Weitere Kostenlose Bücher