Unzaehmbares Verlangen
meine eigene Entscheidung«, erklärte Stephanie mit fester Stimme. »Morgan und Joel haben offensichtlich beschlossen, Räuber und Gendarm zu spielen. Ich hätte allein im Haus herumgesessen und hätte mich zu Tode gelangweilt. Außerdem hätte ich dann ohne dich in meine Kurse gehen müssen.«
Letty sah sie überrascht an. »Ich dachte, du hast mich nur mitgenommen, weil Dad es so wollte.«
Stephanie lächelte. »Ich gebe zu, daß das anfangs der Grund war. Gestern nachmittag ging ich allein zu einem Kurs, in dem man lernte, wie man Kleinkindern erfolgreich beibringt, aufs Töpfchen zu gehen. Da habe ich dich plötzlich vermißt - der Kurs war ohne dich nur halb so interessant. Ich stellte mir ständig vor, welch unpassende Kommentare du abgeben würdest - vor allem, als der Dozent über die richtige Sitzhaltung der Kinder auf dem Topf sprach.«
»Was war daran so komisch?«
»Er hat es höchstpersönlich vorgeführt.«
Letty kicherte. »Da hätte ich mir wahrscheinlich ein oder zwei Bemerkungen nicht verkneifen können. Aber hast du keine Angst, in deinem jetzigen Zustand die Stadt für ein paar Tage zu verlassen?«
»Ich habe beschlossen, endlich nicht mehr so zimperlich zu sein.« Stephanie rückte zum wiederholten Mal den Sicherheitsgurt zurecht. »Mir geht es sehr gut, und mein Baby ist gesund. Außerdem habe ich noch drei Wochen Zeit, und wir können Seattle in eineinhalb Stunden erreichen.«
»Ich habe gehört, daß sich die Geburt des ersten Kinds meistens verzögert«, meldete sich Diana leise vom Rücksitz, nachdem sie seit über einer halben Stunde geschwiegen hatte.
Alle drei Frauen waren auf der Fahrt nicht sehr gesprächig gewesen. Keine von ihnen war von der Idee begeistert, in die Wüste geschickt zu werden, während ihre Partner Räuber und Gendarm spielten.
Aber alle drei Männer hatten so lange auf sie eingeredet, gebettelt und gedroht, bis Letty und Diana schließlich einverstanden waren. Und denn hatte Stephanie sich spontan entschlossen, mitzufahren.
»Meine Ärztin hat sich schon gefragt, ob der errechnete Termin wirklich stimmt«, erklärte Stephanie.
»Keith spricht in letzter Zeit oft davon, ein Kind zu haben.« Diana starrte aus dem Fenster. »Aber ich habe Angst davor.«
Stephanie drehte sich um. »Wegen Ihres Vaters?«
»Ja. Ich weiß, daß er sein Enkelkind ganz für sich in Beschlag nehmen würde. Noch mehr, als er es bei mir getan hat. Als ich bemerkte, daß seine Wutanfälle immer stärker wurden, wuchs auch meine Angst vor dem, was geschehen könnte.«
»Meine Güte, Diana«, sagte Stephanie entsetzt. »Sie leben schon sehr lange mit dieser Furcht, nicht wahr?«
Diana preßte die Lippen aufeinander. »Zu lange. Ich bin froh, daß das jetzt vorüber ist - egal, wie die Geschichte ausgeht. Manchmal fühle ich mich, als hätte ich all die Jahre in der Hand eines Terroristen verbracht.«
»Und die Personen, die in Ihrem Leben eine Rolle spielten, waren ebenfalls Geiseln«, stellte Letty leise fest. »Kein Wunder, daß Sie keine Kinder wollten.«
»Ja. Aber wenn diese Sache ausgestanden ist, dann könnte ich vielleicht...« Diana verstummte.
»Wir haben alle geheime Ängste.« Letty parkte den Wagen vor dem Ferienhaus der Thornquists. »Früher oder später brauchen wir jemanden, der uns hilft, sie zu überwinden.«
Stephanie hob die Augenbrauen. »Sei nicht böse, Letty,
aber ich kann mir kaum vorstellen, daß du dich vor etwas fürchtest.«
Diana nickte zustimmend. »Mir geht es ebenso. Wovor um alles in der Welt sollten Sie Angst haben?«
Letty drehte sich um. »Wollt ihr das wirklich wissen?«
»Aber natürlich«, erwiderte Stephanie gespannt.
»Mich würde es auch interessieren.« Diana beugte sich vor. »Offen gesagt, hielt ich Sie für eine Art Amazone.«
Letty lächelte kläglich. »Leider bin ich das nicht. Ich hatte lange Zeit Angst, daß in meinem Leben so manches nicht in Ordnung wäre. Irgend etwas schien zu fehlen, und ich glaubte bereits, es läge an mir. Es war, als würde ich die Ereignisse um mich herum immer nur beobachten, anstatt daran teilzunehmen. Versteht ihr, was ich meine?«
Stephanie nickte nachdenklich. »Ja, ich glaube schon.«
»Großonkel Charlie war meine Rettung. Als er mir Thornquist Gear hinterließ, war ich plötzlich nicht länger nur Zuschauer, sondern aktiver Teilnehmer am Geschehen.«
»So kann man es wohl nennen«, warf Diana trocken ein.
Letty ignorierte ihre Bemerkung. »Da gibt es noch etwas. Ihr beide hattet
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