Urban Gothic (German Edition)
Übelkeit erregend.
Javier befreite sich von der Kreatur, die an seinem Bein nagte, was weitere Schmerzen verursachte. Er wich zurück, um sich etwas Raum zu verschaffen, und erkannte seinen Fehler sofort. Indem er sich von seinen Angreifern entfernte, hatte er sich dem Rest der Monster genähert.
Wie eine Einheit packten sie ihn. Kräftige Zähne schlugen sich in Javiers Schulter. Krallen peitschten über sein Gesicht, zogen sengende Furchen über Lippen und Nase, rissen ihm den Mund auf, schnitten in sein Zahnfleisch und schlugen ihm mit einem wilden Hieb Zähne aus. Es gelang ihm, den Arm auszustrecken und Vergeltung zu üben, indem er über die tief sitzenden Augen des Angreifers kratzte. Javier fletschte die Zähne und verzog den ruinierten Mund zu einer Grimasse, als sich die Fänge in seiner Schulter tiefer bohrten, im Fleisch seines Arms gegeneinanderschlugen und Blut hervorspritzen ließen. Weitere Zähne hefteten sich an seinen Oberschenkel, Hüfte und Brust. Etwas Kaltes, Schartiges, Scharfes drang in seine Pobacken ein. Er versuchte zu schreien, doch irgendetwas stimmte nicht mit seiner Kehle. Blut floss in Javiers Augen und nahm ihm die Sicht. Er riss den Kopf heftig hin und her, um es abzuschütteln.
Als er wieder verschwommen sehen konnte, erblickte er eine Kreatur mit einem breiten, weit geöffneten Maul, die auf ihn zustürzte. Er hatte noch nie so viele Zähne in einem Mund gesehen – mehrere Reihen, alle kantig und scharf. Der Mutant ließ den mächtigen Kiefer um sein Gesicht zuschnappen. Javier zitterte und zuckte, als das Monster Knochen brach und seinen Kiefer und seine Stirn zu Brei zermalmte, dabei eine tiefe Bresche in die Vorderseite seines Schädels schlug.
Javier blieb noch Zeit für einen letzten Gedanken, bevor er starb.
Warte auf mich, Heather. Ich komme. Ich ...
23
Leo und Perry erreichten die Diele und kauerten sich vor die Metalltür, um darauf zu warten, dass Dookie mit Hilfe zurückkehrte oder weitere bizarre Bewohner des Hauses auftauchten. Leo betete für Ersteres, verspürte jedoch die schauerliche Gewissheit, dass Letzteres eintreten würde. Als sich plötzlich eine Tür öffnete und eine weibliche Gestalt aus der Dunkelheit stolperte, sprang er kampfbereit auf die Beine. Mr. Watkins stand eine Sekunde später neben ihm. Eine unangezündete Zigarette fiel ihm aus dem Mund. Beide schrien vor Überraschung und Angst auf.
Das Mädchen auch.
Sie starrten sich gegenseitig an. Leo runzelte die Stirn und blinzelte, versuchte, zu begreifen, was er vor sich hatte. Die junge Frau trug ähnliche Kleidung wie die Kids, die früher in dieser Nacht vor ihnen geflüchtet waren, allerdings konnte es sich bei ihr unmöglich um einen aus der Gruppe handeln. Bei den Mädchen hatte es sich ausnahmslos um Weiße gehandelt. Dieses Mädchen war rot – von Kopf bis Fuß mit Blut verschmiert. Es verklebte ihr Haar, verkrustete ihre Wangen und haftete an ihren Klamotten. Wenngleich Leo einige oberflächliche Verletzungen an ihren Armen und in ihrem Gesicht erkennen konnte, glaubte er sicher zu sein, dass ein Großteil des Blutes nicht von ihr stammte. Langsam schüttelte er den Kopf und streckte eine Hand aus.
»Hey. Alles in Ordnung?«
Das völlig verängstigte Mädchen zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen und schrak vor den beiden Männern zurück, kauerte sich an die Wand. Sie wimmerte, sprach jedoch kein Wort.
»Ist schon gut«, murmelte Leo. »Wir wollen dir nichts tun. Wir sitzen hier fest, genau wie du.«
»Bist du verletzt?«, wollte Mr. Watkins wissen.
Sie starrte die beiden mit geweiteten Augen an, weigerte sich allerdings nach wie vor, zu sprechen. Ihr Kinn bebte.
»Wo sind deine Freunde?«, fragte Leo. »Die anderen, die mit dir hier reingerannt sind. Gehtʼs ihnen gut? Brauchen sie Hilfe?«
Die junge Frau zuckte zusammen, als habe man sie verprügelt. Dann öffnete sie den Mund und stöhnte. Es war der herzzerreißendste Laut, den Leo je gehört hatte.
»Pst«, flüsterte er. »Tu das nicht. Du führst sie sonst direkt zu uns. Wir müssen ganz leise sein.«
»Hilfe ist unterwegs«, erklärte Mr. Watkins. »Jemand ist losgegangen, um Hilfe zu holen. Sie sollte jeden Moment eintreffen.«
Wie zur Bestätigung vernahmen sie von der anderen Seite der Tür gedämpfte Stimmen. Es klang, als habe sich draußen eine ziemliche Menschenmenge versammelt. Dann brüllte Dookie.
»Yo! Leo? Mr. Watkins? Alles klar?«
»Ja«, rief Leo, so laut er es wagte. »Uns gehtʼs gut. Holt
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