Urban Gothic (German Edition)
die Kammer.
»Sie wird nicht weit kommen«, meinte Scug.
»Das werden wir ja sehen. Möglicherweise überrascht sie dich.«
»Das bezweifle ich. Noigel ist oben und kümmert sich um einige weitere Gäste. Und Noigel mag Frauen, oh ja. Natürlich mag er auch Jungs. Scheiße, er mag alles, in das er seinen Schwanz stecken kann, solange es nur tot ist.«
»Ihr seid echt ein vollkommen irrer Haufen kranker Wichser, oder?« Angewidert schüttelte Javier den Kopf.
»Da«, sagte Scug. »Fang.«
Er schleuderte Javier Heathers Kopf entgegen. Der Junge zuckte zusammen, als der Schädel gegen seine Brust prallte. Angewidert und ungläubig schrak er zurück. Der Kopf schlug mit einem Pochen auf den Boden, rollte weg und zog eine nasse Schliere hinter sich her. Er verspürte Ekel und schämte sich sofort für diese Reaktion. Wie oft hatten sie sich in seinem Auto, im Haus ihrer Eltern oder in seinem Haus geliebt, während seine Mutter arbeitete. Oder damals hinter der Bühne nach der Schulaufführung. Sie hatte sich immer so warm und weich angefühlt, so gut gerochen. Nun blieb von dem Mädchen, das er geliebt hatte, nur noch das übrig. Javier schleuderte Scug einen hasserfüllten Blick entgegen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Seine Lippen fühlten sich geschwollen an, Ohren und Wangen schienen zu glühen.
»Gut«, zog ihn Scug auf. »Das ist gut. Werd richtig wütend. Glaubst du, dass du’s mit mir aufnehmen kannst?«
»Nur du und ich, du kranker Pisser. Deine kleinen Mutantenscheißer sind nicht da, um dir zu helfen.«
Scug schwenkte den Zeigefinger durch die Luft, dann stieß er einen Pfiff aus. Raschelnde Schatten erfüllten die Dunkelheit mit Leben. Nacheinander stolperten, glitschten und hopsten weitere Freaks in Sicht und umzingelten Javier langsam. Einige trugen Taschenlampen und Laternen. Mehrere hatten Waffen dabei – von primitiven Steinkeulen bis hin zu teurem Besteck. Sie umringten ihn und knurrten wie ein Rudel Hunde.
Scug grinste. »Was hast du gesagt?«
»Feigling.« Javier versuchte, sich seine Furcht nicht anmerken zu lassen. »Hast du Schiss, deine Kämpfe selbst auszutragen?«
»Wollte ich dich allein essen, läge es an mir, dich zu töten. Aber ich glaube, der Rest meiner Familie möchte auch ein Stück von dir. Außerdem will ich mir nicht die Kleider vollsauen.«
Lächelnd fuhr Scug mit den Händen über die gegerbte Menschenhaut, die er trug, als streiche er Falten glatt.
Javier ging in Habachtstellung und musterte seine Gegner. Diese Freaks unterschieden sich von den anderen, die er gesehen hatte. Das erkannte er auf Anhieb. Sicher, sie wiesen ebenfalls Missbildungen auf, aber sie schienen symmetrischer zu sein, ausgewogener. Normaler. Einer rückte auf ihn zu. Die schlanke, muskulöse Kreatur besaß einen breiten Kiefer und einen großen Mund mit überdimensionierten Zahnreihen. Die Augen lagen zu weit auseinander und besaßen keinerlei Weiß, nur riesige dunkle Pupillen.
»Schnapp ihn dir, Junge«, befahl Scug. »Und ein paar von euch anderen gehen nach oben, um Noigel zu helfen. Sagt ihm, ich will ihre Haut, er soll sie also nicht ruinieren. Ist eine lange Nacht gewesen. Allmählich werde ich müde.«
Die Kreatur mit den dunklen Augen verringerte den Abstand. Sie knurrte nicht, als sie sich Javier näherte, sie brüllte – das Geräusch dröhnte durch den Keller, als der Mutant angriff. Die übrigen Freaks stimmten in das Geschrei ein.
Javier handelte rein instinktiv, und dieser Reflex rettete ihm das Leben. Er ließ sich zurückfallen, als der Mutant heranstürmte, und trat ihm in den Bauch. Sein Gegner prallte gegen die Wand, schüttelte den Treffer ab und setzte zu einem neuerlichen Angriff an. Bevor Javier reagieren konnte, stürzte sich ein zweiter Kannibale auf ihn. Scharfe Zähne gruben sich in seinen Oberschenkel, durchbohrten erschreckend mühelos den dicken Stoff seiner Jeans und schlugen sich in die Haut und das Muskelgewebe darunter. Javier rammte den Ellenbogen nach unten und traf das Monster am Hinterkopf. Es kam ihm vor, als schlage er gegen Stein. Sein Ellenbogen pochte schmerzhaft.
Eine dritte Kreatur griff ihn an, noch während die zweite an seinem Bein kaute wie ein Hund an einem Rohlederknochen. Javier riss den Arm hoch, um den Freak abzuwehren. Spitze Fingernägel stachen in seinen Unterarm. Es ging so schnell, dass er es zuerst gar nicht mitbekam. Dann begannen die tiefen Wunden, zu bluten. Die Schmerzen setzten eine Sekunde später ein – heiß und
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