Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
wieder den Kopf. »Ist schon in Ordnung. Wirklich. Ich weiß jetzt, dass Trenton nichts für mich ist. Ich glaube, dass ich es nur deshalb wollte, weil du unbedingt dorthin wolltest. Ich konnte nicht mal mehr den Bewerbungsbogen ausfüllen, als ich die Themen für die Essays gelesen habe. Eine Frage lautete, wie ich meine Fähigkeiten einsetzen würde, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und dabei habe ich festgestellt, dass eine andere Aufgabe auf mich wartet.«
»Wie meinst du das?«
»Sieh mal, ich liebe die Kunst. Wirklich. Und sie wird immer ein Teil meines Lebens sein. Aber ich spüre sie nicht auf dieselbe Weise, wie du es tust. Im Gegensatz zu dir glaube ich nicht, dass ich mit meiner Kunst die Welt zu einem besseren Ort machen könnte. Und ich kann nicht aufhören, an all die kranken und verletzten Menschen da draußen zu denken. Und mich zu fragen, wie ich ihnen helfen könnte. Ich denke, das ist es, was ich nach der Schule mit meinem Leben anfangen will. Ich möchte meine Heilungskräfte benutzen, um anderen Menschen zu helfen. Vielleicht muss ich ja so was wie eine Krankenschwester oder Sozialarbeiterin werden …« Ich musste fast lachen, als ich daran dachte, wie meine Mutter immer gewollt hatte, dass ich ihrem Beispiel folgen und Krankenschwester werden sollte, und wie sehr ich diese Idee gehasst hatte. »Auf diese Weise könnte ich den Menschen helfen, wenn es nötig ist. Ich lerne sie besser kennen und kann sie dann heilen.«
»Dann wirst du also doch nicht zur Superheldin der Verbrechensbekämpfung?«, sagte Daniel und schenkte mir sein typisch ironisches Lächeln. »Schließlich hast du dafür auch ein großes Talent.«
Ich grinste. »Wer sagt, dass ich nicht beides machen kann? Am Tag mache ich die Leute gesund, und in der Nacht gehe ich auf Dämonenjagd.«
»Und dann musst du mir noch helfen, ein ganzes Rudel von Werwölfen anzuführen. Klingt, als wärst du in der Zukunft ziemlich beschäftigt.«
»Wir werden beide sehr beschäftigt sein. Wenn du erst mal in Trenton bist …«
Daniel tippte sich mit dem Brief an die Stirn. »Ist das nicht vielleicht völliger Unsinn?«, fragte er. »Bei allem, was geschehen ist? Sollte ich bei all der Verantwortung, die wir jetzt haben, überhaupt an Trenton denken ?«
Ich spürte, wie er zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankte.
»Trenton ist nur ein paar Stunden entfernt. Wir werden schon herausfinden, wie es funktioniert. Du kannst ein Alpha sein und trotzdem das normale Leben führen, das du immer haben wolltest. Na ja, immerhin ein einigermaßen normales Leben. Aber wir können einander helfen. Du kannst ein Anführer und ein Künstler sein, genauso wie ich Menschen heile und gleichzeitig Dämonen jage.«
Daniel nickte. Langsam faltete er den Brief wieder zusammen und steckte ihn in die Jackentasche. Als er die Hand wieder herauszog, hielt er etwas in der Faust versteckt. »Ich habe auch was für dich. Eigentlich wollte ich warten, aber jetzt kann ich es nicht mehr«, sagte er. »Aber erst musst du etwas für mich tun.«
»Und das wäre?«
»Ich möchte, dass du deine Augen schließt«, sagte er und nickte mir zu.
»Okay, und jetzt?«
»Ich möchte, dass du dich anstrengst und vergisst, dass ich dir in Calebs Lagerhaus einen Antrag gemacht habe.«
»Wie bitte? Warum, um alles in der Welt, sollte ich das tun?«
»Ich möchte, dass du vergisst, dass ich dir schon einmal einen Antrag gemacht habe. Ich möchte, dass du aufhörst zu denken, ich hätte es nur deswegen getan, weil ich glaubte, dass wir sterben würden. Und ich möchte aufhören mich zu fragen, ob du in diesem Augenblick nur Ja gesagt hast, um mich glücklich zu machen.« Er tippte sich an die Stirn. »Ich habe diese Gedanken die ganze Zeit in dir gespürt.«
»Daniel, ich …«
Er streckte die Hand aus. Zwischen seinen Fingern wurde die Nachmittagssonne von irgendetwas reflektiert. Einem Ring. Ein Weißgoldring mit einem großen runden Diamanten in der Mitte und je einem kleinen violetten Stein rechts und links davon. Die Farbe meiner Augen.
»Ich möchte, dass du das alles vergisst, weil ich will, dass du diesen Moment in Erinnerung behältst. Diesen Moment, an den wir uns beide erinnern werden.« Er räusperte sich. »Grace Divine, nachdem dieser ganze Mist jetzt vorbei ist, und wenn wir dann die Schule beendet haben und du mal nicht gerade damit beschäftigt bist, den bösen Jungs in den Hintern zu treten und bedauernswerte Fremde zu heilen«, sagte er und
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