Urbi et Orbi
erkennen, dass er seine Drohung durchaus wahr machen mochte. Michener warf daher den Umschlag auf den Boden.
Ambrosi ließ Katerina los und stieß sie auf Michener zu. Dieser fing sie auf und bemerkte, dass sie von dem Sturz noch benommen war.
»Alles in Ordnung?«, murmelte er.
Ihre Augen waren glasig, doch sie nickte.
Ambrosi untersuchte den Inhalt des Umschlags.
»Woher wissen Sie überhaupt, dass dies das Dokument ist, das Valendrea haben möchte?«, fragte Michener.
»Das weiß ich nicht. Aber meine Anweisungen sind eindeutig. Mir nehmen, was ich kriegen kann, und die Zeugen eliminieren.«
»Und was, wenn ich eine Kopie gemacht habe?«
Ambrosi zuckte mit den Schultern. »Dieses Risiko gehen wir ein. Doch glücklicherweise werden Sie nicht mehr in der Lage sein, als Zeuge aufzutreten.« Er hob die Pistole und zielte auf Michener und Katerina. »Das ist der Teil, der mir am besten gefällt.«
Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten und schlich sich langsam von hinten an Ambrosi an. Sie bewegte sich vollkommen lautlos. Der Mann trug schwarze Hosen und eine eng sitzende, schwarze Jacke. In seiner Hand zeichnete sich der Umriss einer Pistole ab, die er langsam hob und Ambrosi an die rechte Schläfe setzte.
»Ich versichere Ihnen, Hochwürden«, sagte Kardinal Ngovi, »dass auch mir dieser Teil besonders gut gefällt.«
»Was machen Sie hier?«, fragte Ambrosi verblüfft.
»Ich wollte mich mit Ihnen unterhalten. Nehmen Sie die Waffe herunter, und beantworten Sie meine Fragen. Danach können Sie gehen, wohin Sie wollen.«
»Sie sind hinter Valendrea her, nicht wahr?«
»Hätte ich Sie sonst so lange am Leben gelassen?«
Michener beobachtete mit angehaltenem Atem, wie Ambrosi seine Möglichkeiten abwägte. Als Michener Ngovi anrief, hatte er auf Ambrosis Überlebensinstinkt gesetzt. Er nahm an, dass Ambrosi sich trotz aller Loyalitätsbekundungen für seinen Papst zweifelsohne für sich selbst entscheiden würde, wenn ihm keine andere Wahl blieb. »Es ist vorbei, Ambrosi.« Michener zeigte auf den Umschlag. »Ich habe das Dokument gelesen. Kardinal Ngovi hat es gelesen. Zu viele wissen Bescheid. Sie haben verloren.«
»Und worum ging das Ganze eigentlich?«, fragte Ambrosi. Sein Tonfall ließ erkennen, dass er ihren Vorschlag in Erwägung zog.
»Nehmen Sie die Waffe herunter, dann werden Sie es erfahren.«
Wieder ein langes Schweigen. Schließlich senkte Ambrosi die Hand. Ngovi ergriff die Waffe und trat zurück, seine eigene Pistole noch immer auf den Priester gerichtet.
Ambrosi sah Michener an. »Sie waren der Lockvogel? Sie sollten mich hinter sich herlocken?«
»Etwas in der Art.«
Ngovi trat vor. »Wir haben einige Fragen an Sie. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, lassen wir Sie anschließend in Ruhe. Keine Polizei, keine Verhaftung. Sie können einfach verschwinden. Ein faires Angebot. In Anbetracht der Umstände.«
»In Anbetracht welcher Umstände?«
»Hochwürden Tibors Ermordung.«
Ambrosi kicherte. »Sie bluffen und wissen das auch. Es geht darum, dass Sie beide Petrus II. stürzen wollen.«
Michener stand auf. »Nein. Es geht darum, dass Sie Valendrea zu Fall bringen. Was Ihnen keine Probleme bereiten sollte. Im umgekehrten Fall würde er es mit Ihnen genauso machen.«
Zweifellos war der Mann vor ihm in Hochwürden Tibors Ermordung verstrickt; höchstwahrscheinlich war er sogar der Mörder. Aber er war auch gewieft genug, um zu merken, dass der Wind jetzt aus einer anderen Richtung wehte.
»Okay«, sagte Ambrosi. »Fragen Sie.«
Der Kardinal griff in seine Jackentasche.
Er zog ein kleines Diktiergerät hervor.
M ichener stützte Katerina auf dem Weg zum Königshof. Irma Rahn kam zur Haustür gelaufen.
»Ist alles gut gelaufen?«, fragte die alte Dame Michener . » Ich war ganz außer mir vor Sorge.«
»Alles ist gut gegangen.«
»Gott sei Lob und Dank. Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht.«
Katerina war immer noch schwindlig, fühlte sich aber allmählich besser.
»Ich bringe sie nach oben«, sagte Michener.
Er führte sie ins Obergeschoss. Kaum hatte sie das Zimmer betreten, fragte sie: »Wieso um Himmels willen war Ngovi hier?«
»Ich rief ihn heute Nachmittag an und erzählte ihm alles. Er flog nach München und kam hier gerade noch rechtzeitig an, bevor ich zum Dom aufbrach. Ich hatte die Aufgabe, Ambrosi in die Gangolfskirche zu locken. Wir brauchten einen ruhigen Ort, und Irma berichtete mir, dass in der Kirche dieses Jahr keine Krippe ausgestellt ist.
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