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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Vaters geheime Nachforschungen an, doch er war nicht allein. Vor einer Woche hatte er es auch schon gespürt.
    Michener kehrte in den Hauptsaal zurück und trat wieder zum Lesetisch, doch dabei behielt er den Saal im Auge. Am Boden befand sich eine Darstellung der Sternkreiszeichen. Sie waren an der Sonne ausgerichtet, deren Strahlen durch exakt angeordnete Lichtschlitze oben in der Wand eindringen konnten. Vor Jahrhunderten war genau hier der gregorianische Kalender errechnet worden. Doch heute drang kein Sonnenlicht herein. Draußen war es kalt und nass, und ein Herbststurm fegte über Rom hinweg.
    Die Bände, mit denen Michener sich in den letzten zwei Stunden befasst hatte, lagen ordentlich auf dem Lesepult. Ein großer Teil der Schriften war in den letzten zwei Jahrzehnten verfasst worden. Vier Bände waren jedoch wesentlich älter: z wei davon auf Italienisch geschrieben, der dritte auf Spanisch und der vierte auf Portugiesisch. Er las all diese Sprachen mühelos – mit ein Grund, aus dem Clemens XV. ihn damals nur zu gerne eingestellt hatte.
    Die spanischen und italienischen Berichte waren relativ wertlos, sie waren einfach nur Neuaufgüsse des portugiesischen Werks: Eine umfassende und detaillierte Studie der Berichte über die Erscheinungen der Heiligen Jungfrau Maria in Fatima vom 13. Mai 1917 bis zum 13. Oktober 1917.
    Papst Benedikt XV. hatte die Studie 1922 als Teil der kirchlichen Untersuchungen zu den angeblichen Vorfällen in einem abgelegenen portugiesischen Gebirgstal angeordnet. Der Band war von Hand geschrieben und die Tinte zu einem warmen Gelb verblasst, das auf den ersten Blick an Blattgold denken ließ. Der Bischof von Leira hatte eine gründliche Untersuchung durchgeführt, die sich alles in allem über acht Jahre erstreckt hatte. Bei der Entscheidung des Vatikans im Jahre 1930, die sechs irdischen Erscheinungen der Jungfrau in Fatima als glaubwürdig anzuerkennen, hatten die hier zusammengetragenen Informationen eine entscheidende Rolle gespielt. In den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts waren drei Anhänge entstanden, die nun dem Original beigefügt waren.
    Michener hatte alles mit der Gründlichkeit des ausgebildeten Kirchenjuristen gelesen. Sieben Jahre hatte er an der Universität München studiert, jedoch niemals als Anwalt im herkömmlichen Sinne praktiziert. Er kannte sich vielmehr in der Welt der Kirchenverlautbarungen und kanonischen Dekrete aus. Die Präzedenzfälle erstreckten sich über zweitausend Jahre, und ihr Verständnis beruhte eher auf historischem Einfühlungsvermögen als auf einem strikten Festhalten am stare decisis . Die harte juristische Ausbildung war für Michener s A rbeit in der Kirche von unschätzbarem Wert, denn das logische Denken des Juristen hatte ihm im verwirrenden Sumpf der Kirchenpolitik unschätzbare Dienste geleistet, und, wichtiger noch, es hatte ihm dabei geholfen, in diesem Labyrinth vergessener Dokumente das zu finden, was Clemens XV. brauchte.
    Wieder hörte er das Geräusch.
    Ein ganz leises Quietschen, wie das Aneinanderreiben zweier Zweige im Wind oder das Piepsen einer Maus.
    Er eilte dorthin, wo er das Geräusch vernommen hatte, und spähte in beide Richtungen.
    Nichts.
    Fünfzehn Meter zur Linken führte eine Tür aus dem Archiv. Er näherte sich dem Durchgang und überprüfte das Schloss. Es war offen. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die schwere, holzgeschnitzte Tür, und die eisernen Türangeln quietschten ganz leise.
    Er erkannte das Geräusch sofort wieder.
    Der Korridor dahinter war leer, doch etwas Glänzendes auf dem Marmorboden erregte seine Aufmerksamkeit.
    Er kniete sich hin.
    In regelmäßigen Abständen schimmerte es feucht. Die Flecken führten in den Korridor und dann durch die Tür zurück ins Archiv. In manchen der winzigen Pfützen klebte ein wenig Schlamm oder Fetzen von Blättern und Grashalmen.
    Micheners Blick folgte den feuchten Flecken, die am Ende einer Regalreihe im Archiv endeten. Noch immer trommelte der Regen aufs Dach.
    Er wusste, was diese kleinen Pfützen waren.
    Fußspuren.
    2
    D er Medienzirkus ging früh los, was Michener nicht überraschte. Er stand am Fenster und sah zu, wie die Übertragungswagen der Fernsehsender langsam auf den Petersplatz rollten und die ihnen zugewiesenen Plätze einnahmen. Die vatikanische Pressestelle hatte ihm gestern berichtet, dass einundsiebzig Medienvertreter zur Sondersitzung des Gerichts zugelassen worden seien. Vor allem handelte es sich

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