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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Porzellantasse und trank einen Schluck Espresso. »Verblüffend, wie schlecht man sich in einer derart großartigen Umgebung fühlen kann.«
    Clemens ’ Sarkasmus war nichts Neues, doch in letzter Zeit hatte er sich verstärkt. Er stellte die Tasse auf den Tisch . » Haben Sie die gesuchte Information im Archiv gefunden?«
    Michener trat vom Fenster weg und nickte.
    »Hat der ursprüngliche Bericht über die Erscheinungen in Fatima Sie weitergebracht?«
    »Nicht im Geringsten. Aber ich habe Dokumente gefunden, die mehr hergeben.« Wieder fragte er sich, warum das alles dem Papst so wichtig war, verkniff sich aber eine Bemerkung.
    Der Papst schien seine Gedanken zu ahnen. »Sie stellen niemals Fragen?«
    »Wenn ich Bescheid wissen sollte, würden Sie es mir sagen.«
    In den vergangenen drei Jahren hatte der Papst sich sehr verändert – er war von Tag zu Tag distanzierter, blasser und kränklicher geworden. Clemens war schon immer ein eher kleiner, zierlicher Mann gewesen, doch in letzter Zeit war es, als würde sein Körper von innen her schrumpfen. Der braune Haarschopf auf seinem Kopf war einem kurzen, grauen Flaum gewichen. Das fröhliche Gesicht, das einmal auf dem Titelblatt von Zeitungen und Zeitschriften geprangt hatte – der Papst, wie er bei der Verkündigung seiner Wahl vom Balkon des Petersdoms herablächelte – war fast zur Karikatur seiner selbst ausgemergelt. Seine frischen Wangen waren bleich geworden, bis auf den hochroten Fleck, den die Presseabteilung des Vatikans inzwischen auf den Fotos routinemäßig retouchierte. Die Bürde, die auf den Schultern des Nachfolgers Petri lastete, hatte ihren Tribut gefordert und einen Mann zum Greis gemacht, der noch vor gar nicht so langer Zeit regelmäßig in den bayerischen Alpen zum Bergsteigen gewesen war.
    Michener zeigte auf das Tablett mit dem Kaffee. Er erinnerte sich an Zeiten, als ein Frühstück aus Wurst, Joghurt und Schwarzbrot bestanden hatte. »Warum essen Sie nichts? Ihr Hausdiener sagte mir, Sie hätten gestern schon das Abendessen ausgelassen.«
    »Immer macht er sich Sorgen.«
    »Warum sind Sie nicht hungrig?«
    »Und er lässt nicht locker.«
    »Sie beruhigen mich nicht, wenn Sie meinen Fragen ausweichen. «
    »Was beunruhigt Sie denn, Colin?«
    Er hätte gerne die Falten erwähnt, die Clemens ’ Stirn durchfurchten, seine Besorgnis erregende Blässe und die an Händen und Handgelenken blau heraustretenden Adern. Doch stattdessen sagte er nur: »Ihre Gesundheit, Heiliger Vater.«
    Clemens lächelte. »Sie wollen sich nicht meinem Spott aussetzen.«
    »Wer würde dem Heiligen Vater widersprechen wollen?«
    »Ach, kommen Sie mir wieder mit diesem Unfehlbarkeitsgerede. Stimmt ja. Ich hab immer Recht.«
    Michener beschloss, die Herausforderung anzunehmen . » Nicht immer.«
    Clemens kicherte. »Haben Sie den Namen in den Archiven gefunden?«
    Entschlossen griff Michener in seine Soutane und zog einen Zettel heraus. Unmittelbar bevor das Geräusch ihn aufschreckte, hatte er sich eine Notiz gemacht. Er reichte das Papier Clemens und bemerkte: »Es war wieder jemand da.«
    »Was Sie nicht überraschen sollte. Hier bleibt nichts verborgen.« Der Papst las die Worte und wiederholte sie ein zweites Mal laut. »Pater Andrej Tibor.«
    »Er ist ein Priester im Ruhestand und lebt in Rumänien«, erklärte Michener. »Ich habe seine Daten überprüft. Hat dort eine Adresse und erhält bis heute regelmäßig einen Scheck aus der Pensionskasse.«
    »Ich möchte, dass Sie hinfahren und ihn besuchen.«
    »Sagen Sie mir auch, warum?«
    »Noch nicht.«
    Seit drei Monaten wirkte Clemens zutiefst beunruhigt. Der alte Mann hatte sich bemüht, seine Sorgen zu verbergen, doch Michener, der seit vierundzwanzig Jahren mit ihm befreundet war, waren sie nicht entgangen. Er erinnerte sich genau, wann er Clemens ’ Irritation zum ersten Mal gespürt hatte, es war unmittelbar nach einem Besuch des Papstes in der Riserva gewesen, wo sich hinter dem verschlossenen Türgitter ein uralter Tresor befand. »Sagen Sie mir wenigstens, wann ich es erfahre?«
    Der Papst erhob sich von seinem Stuhl. »Nach dem Gebet.«
     
    S ie verließen das Arbeitszimmer, gingen schweigend durch den dritten Stock und blieben in einer offenen Tür stehen. Die Kapelle dahinter war mit weißem Marmor ausgekleidet, und die verwirrenden Glasmosaike der Fenster stellten die Stationen des Kreuzwegs dar. Jeden Morgen kam Clemens für ein paar Minuten stiller Andacht hierher. Keiner durfte ihn dabei

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