Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urlaub mit Papa

Urlaub mit Papa

Titel: Urlaub mit Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
Vom Netzwerk:
»Meine Güte, das hört ja gar nicht auf. Was wollen diese Massen denn alle auf Norderney?«
    »Wir müssen ja auch hin«, antwortete mein Vater sofort. »Und habt ihr das gesehen? Die meisten der Leute sind zwanzig Jahre älter als ihr und sie tragen alle ihr Gepäck.«
    »Die haben Koffer mit Rollen, Heinz, im Gegensatz zu einem hüftkranken Herrn hier am Tisch.«
    Heinz griff mit beleidigtem Gesicht zur Speisekarte. »Ich weiß wirklich nicht, was ihr dauernd mit meinem Koffer habt.« Er überflog die Seiten. »Würstchen, das ist gut. Ich esse auf Fähren immer Würstchen. Irgendwie gehört das dazu.«
    Ich nahm ihm die Karte aus der Hand. »Ich denke, du hast Angst vor Gammelfleisch.«
    Er sah erstaunt hoch. »Das ist doch nicht in Würstchen. Das glaube ich nicht. Außerdem habe ich keine Angst davor. So doll hat meine Mutter ja auch nicht gekocht.« Er blickte sich interessiert um. »Ein feines Schiff. Und so sauber. Und größer, als ich es mir vorgestellt habe. Wie eine richtige Fähre.«
    »Papa, das ist eine richtige Fähre.«
    »Die Rømø-Sylt-Linie ist größer.«
    »Das ist Quatsch.«
    Mein Vater wollte aufstehen, Dorothea hielt ihn zurück. Sie kämpfte seit Minuten mit einem Lachkrampf.
    »Bleib sitzen, wo willst du denn hin?«
    »Ich gehe auf die Brücke und frage den Kapitän. Wieso lachst du denn so albern?«
    Dorothea versuchte zu antworten. »Wegen… deiner… Mutter… ich…« Sie lachte jetzt haltlos. Ich ließ mich anstecken.
    Mein Vater verstand es nicht. »Du kanntest meine Mutter doch gar nicht.«
    Er wurde von einem Kellner unterbrochen, der plötzlich vor unserem Tisch stand.
    »Haben Sie einen Wunsch?«
    »Ja, kennen Sie die Daten von diesem Schiff?«
    Der Kellner war Vietnamese. Er sah uns freundlich an.
    »Nur Wünsche mit Essen und Trinken.«
    »Gut. Dann wünsche ich mir zwei Würstchen und eine Coca Cola. Und wenn ihr beide euch mal endlich zusammenreißen und entscheiden würdet, könnte der junge Mann auch noch andere Gäste bedienen.«
    Ich war bereits wieder ernst. »Seit wann trinkst du denn Cola?«
    »Immer schon. Deine Mutter findet nur, die macht dick, deswegen kauft sie die nie.«
    »Ich durfte als Kind nie Cola trinken.«
    »Unsinn, die gab es doch damals noch gar nicht.«
    Dorothea kam aus dem Lachkrampf nicht raus.
    »Heinz, Cola gibt es länger als Christine.«
    »Tatsächlich? Dann mochte sie die wohl nicht. Kind, dann trink doch jetzt eine.«
    Der Kellner wartete freundlich.
    »Ich möchte ein Wasser. Und ich mochte Cola gerne.«
    Mein Vater runzelte die Stirn und sah Dorothea an.
    »Manchmal verstehe ich sie einfach nicht. Trinkst du wenigstens eine Cola mit mir?«
    Ich hatte plötzlich das deformierte Gummibärchen im Kopf und wollte sie warnen. Aber dann erinnerte ich mich daran, dass ich 45 und einfach nur nervös war.
    Mittlerweile hatte die Fähre abgelegt und Kurs auf Norderney genommen. Erstaunlicherweise hatten fast alle Passagiere Plätze gefunden, ganz vereinzelt suchten Nachzügler noch eine Sitzgelegenheit.
    Mein Blick fiel auf zwei Frauen, die sich laut und lachend unterhielten. Ich war nicht nur durch die schrille Lautstärke auf sie aufmerksam geworden, sondern durch ihr unglaubliches Outfit. Sie waren zwischen Anfang und Mitte sechzig. Die kleinere der beiden hatte eine Hochsteckfrisur, die ich das letzte Mal bei Tante Anke auf einer der legendären Partys meiner Eltern gesehen hatte. Original 70-er Jahre, Unmengen von strassbesetzten Haarnadeln, Haarspray, vor den Ohren Korkenzieher. Sie trug rote Lacklederstiefel und einen zugeknöpften, knöchellangen Daunenmantel. Es war immer noch 25Grad warm. Die andere war einen Kopf größer, ihre Haare waren nur wenig toupiert, gingen bis zum Kinn und waren karottenrot. Leuchtend rot. Die Klamotten, die sie trug, wären selbst in den 70-er Jahren auffällig gewesen: rosa Wollrock, roter Wollpullover, orangefarbener Poncho, gelber Schal und bunt gemusterte Strümpfe. Alles war gestrickt.
    Dorothea bemerkte meinen fassungslosen Blick und suchte den Grund. Als sie ihn gefunden hatte, verschluckte sie sich. Ich versuchte, ernst zu bleiben.
    »Na, Dorothea, was sagt dein geschultes Kostümbildnerauge zu so einem Styling?«
    Bevor sie antworten konnte, hatte auch mein Vater die beiden erspäht.
    »Habt ihr die beiden Damen gesehen?«
    Dorothea räusperte sich. »Bunt ist lustig, oder?«
    Mein Vater sah versonnen auf die Farbexplosion. »Ich finde, das sieht schön aus. Deine Mutter zieht sich ja auch

Weitere Kostenlose Bücher