Urlaub mit Papa
meistens schön an, aber manchmal doch ein bisschen trist.«
Ich nahm mir vor, Dorothea umgehend von der Farbschwäche meines Vaters zu unterrichten, es könnte sonst größere Missverständnisse geben.
Die Würstchen hatten meinen Vater von dem Vorhaben, auf die Brücke zu gehen, abgelenkt. Erleichtert sah ich aus dem Fenster. Die Hochhäuser der Insel waren schon zu erkennen. Plötzlich stand mein Vater auf.
»Ich gehe zur Toilette. Bis gleich.«
Er sah sich suchend um, ich zeigte ihm die Richtung. Er lächelte kurz, dann ging er los. Ich atmete tief durch und fragte Dorothea:
»Weißt du jetzt, warum ich dagegen war?«
Dorothea lachte. »Ach was, ich finde Heinz lustig. Er meint es ja nur gut, ihm passieren einfach ab und zu komische Geschichten.«
»So kann man das auch sehen.«
Ich wollte mit Dorothea keine Vater-Tochter-Themen diskutieren, ich wollte auch nicht illoyal sein, aber so einfach, wie sie es sah, war dieser Mann nicht. Doch wozu sollte ich ihr Angst machen? Dorothea deutete auf Norderney und auf den Himmel.
»Schau es dir an, Sommer, Insel, Meer. Ich freue mich so, dass wir Marleen zugesagt haben.«
Marleen hatte mich im Frühjahr gefragt, ob ich ihr während der Renovierung helfen könnte. Über handwerkliche Fähigkeiten verfüge ich eher nicht, dafür habe ich jahrelang in der Pension meiner Großmutter geholfen. Ich schaffte die Grundreinigung eines Fremdenzimmers in 15Minuten, Frühstück für 20Personen war meine leichteste Übung. Marleen hätte Zeit, sich um die Handwerker zu kümmern. Die Pension war ausgebucht, meine Vormittage waren also verplant.
Die Kneipe sollte am kommenden Wochenende wiedereröffnet werden. Marleen wollte etwas ganz Besonderes daraus machen, schöne Farben, schönes Licht. Dabei war ihr eingefallen, dass Dorothea Kostüm- und Bühnenbildnerin war. Bei einem ihrer Besuche zeigte Marleen Dorothea die Pläne, die so begeistert war, dass sie ihr anbot, mit mir zusammen auf die Insel zu kommen. Sie hatte ein sicheres Gespür für Farben, ganz im Gegensatz zu meinem Vater. Dorotheas Frage holte mich in die Gegenwart zurück.
»Wie geht es Marleen eigentlich privat? Hat sie die Trennung ganz gut weggesteckt?«
»Ich glaube schon. Sie hatte aber auch so viel um die Ohren, dass sie gar nicht ständig über diesen Blödmann nachdenken konnte.«
»Dann sind wir drei ja zum ersten Mal gleichzeitig Singles. Da müsste sich in diesem Sommer doch mal was machen lassen. Christine, das wäre doch was, so eine richtig nette Sommerliebe.«
»Mit Heinz an der Hacke?«
Dorothea lachte. »Den müssen wir dann mal abschütteln, wie früher, da sind wir auch heimlich rauchen, trinken und knutschen gegangen.«
Ich dachte kurz darüber nach, dass sich die nächsten zwei Wochen vermutlich auch nicht viel anders gestalten würden, als mir auffiel, dass er schon viel zu lange weg war. Mein Herzschlag setzte kurz aus.
»Sag mal, wo bleibt er eigentlich? Ist er umgekippt oder doch auf die Brücke gegangen?«
Ich wollte gerade aufstehen und suchen gehen, als ich ihn entdeckte. Er steuerte mit einem Lächeln und blitzenden Terence-Hill-Augen auf uns zu, im Schlepptau die beiden Grazien. Der Daunenmantel hielt sich dicht hinter ihm, das bunte Wollknäuel folgte ihr.
»Dorothea, jetzt reiß dich zusammen, sonst wirst du ohnmächtig.«
Sie drehte sich um, als das Trio unseren Tisch schon erreicht hatte. Heinz blieb stehen und wies mit großer Geste auf uns.
»Meine Damen, da wären wir. Darf ich vorstellen? Meine Tochter Christine, ihre Freundin Dorothea und das, Kinder, sind Frau Klüppersberg und Frau Weidemann-Zapek, die ich zu einem Getränk einladen möchte. Also, rutscht mal durch.«
Uns fiel nichts ein. Wortlos rutschten wir durch. Mein Vater setzte sich neben die bunte Frau Klüppersberg, was ihr einen giftigen Blick von Frau Weidemann-Zapek einbrachte. Dorothea fand ihre Fassung zuerst wieder.
»Heinz, ich glaube, wir können nichts mehr bestellen, wir haben auch schon bezahlt, das Schiff legt gleich an.«
Mein Vater sah aus dem Fenster, der Hafen war vor uns.
»Tatsächlich. Na ja, dann machen wir das später. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.«
Er lächelte, irgendwie verwegen, fand ich. Klüppersberg und Weidemann-Zapek kicherten künstlich. Dorotheas Blick war konzentriert. Sie war kurz vor dem Platzen. Um sich zu retten, fing sie an zu reden.
»Sind Sie das erste Mal auf Norderney?«
»Ja, das erste Mal«, antwortete Daunenmantel Weidemann-Zapek. »Wissen
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