Urlaub mit Papa
hysterische Ziege halten, ich würde alles verderben, ich musste souverän wirken, die erste Frage sollte bedacht sein. Interessiert, aber nicht misstrauisch, klug, aber nicht neugierig, zugetan, aber nicht zutraulich. Mein Hirn lief auf Hochtouren, es dauerte einen Moment, bis es merkte, dass Johann mit mir sprach.
»Christine? Hallo, Erde an Christine, hast du die Sprache verloren?«
Ich holte tief Luft. »Mein Vater hält dich für einen Heiratsschwindler.«
Zack! Mein Hirn war wohl noch woanders. Klug und abgeklärt, zugetan und interessiert. Super. Und dann war es noch nicht einmal eine Frage gewesen. Christine S., Rhetorikkünstlerin. Ich krümmte mich innerlich.
Johann starrte mich erst verblüfft, dann ungläubig an. Er hatte sehr lange Wimpern. Beneidenswerte Wimpern. Ich hätte sie gern berührt. Was hatte ich da gerade gesagt? Und wieso reagierte er nicht? Plötzlich war ich wieder bei mir. Ich setzte mich gerade hin. Johanns Augen glänzten. Er legte die Hand vor den Mund und fing an zu lachen. Erst leise und für sich, dann immer mehr, bis schließlich der ganze Mann vibrierte. Minutenlang. Schließlich wischte er sich mit den Händen die Tränen weg, suchte in der Hosentasche nach einem Taschentuch, schnäuzte sich umständlich, sah mich kurz an und fing wieder an zu lachen.
»Ach, Christine«, er konnte kaum sprechen, wischte sich nur mit dem Taschentuch durchs Gesicht. »Großartig.«
Ich verstand ihn nicht und kam mir wie eine Idiotin vor. Anscheinend dachte er, ich hätte einen Witz gemacht. Abgesehen davon, dass es keiner war, wäre er auch so schlecht gewesen, dass ich diesen Ausbruch von Heiterkeit überhaupt nicht begriff. Was hatte dieser Mann bloß für einen Humor?
»Ähm… Johann?«
»Ja?« Er sah regelrecht erschöpft aus.
»Das war kein Witz. Mein Vater meint das ernst. Und nicht nur er.«
»Schon… klar.« Johann rang nach Luft. »Es geht gleich wieder. Schenk mir doch bitte mal Wasser ein.« Er hielt mir sein Glas entgegen. »Ein Heiratsschwindler also.«
»Ja. Und was ist daran so komisch?«
Ich musste warten, bis er ausgetrunken hatte, damit er antworten konnte. Zumindest versuchte er es.
»Komisch ist, dass ich dir weder einen Antrag gemacht habe, noch dass ich pleite bin, was meines Wissens der Antrieb eines Heiratsschwindlers ist. Aber irgendwie bin ich auch erleichtert, weil ich schon dachte, ich leide unter Verfolgungswahn.«
Ich verstand ihn nicht. Anscheinend war es mir anzusehen.
»Seitdem ich wieder hier bin, habe ich das Gefühl, ich werde verfolgt. Als ich vom Strand kam, fuhr der Freund deines Vaters, der Blonde, weißt du…«
»Kalli?«
»Ich glaube ja, der auch in der Kneipe hilft, also der fuhr erst mit dem Fahrrad hinter, dann auch noch neben mir. Minutenlang. Er grüßte nicht und guckte angestrengt weg. Aber höchstens einen Meter neben mir.«
»Hast du ihn nicht gefragt, was er will?«
»Doch, natürlich. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihm helfen kann. Aber er antwortete nicht. Und als ich anhielt, fuhr er weiter. Pfeifend.«
»Und dann?«
»Danach hatte ich einen rothaarigen Mopedfahrer an den Hacken. Der ließ sich auch nicht abschütteln. Als ich essen ging, setzte er sich auf die Terrassenbrüstung des Restaurants und starrte mich an. Mit einem Fernglas.«
Gisbert von Meyer. Agent seiner Majestät.
»Wieso bist du nicht einfach hingegangen und hast ihn angesprochen?«
Johann hob die Schultern. »Ach, wozu. Ich dachte, das ist vielleicht nur ein armer Irrer.«
So falsch lag der Observierte damit nicht. Trotzdem war es Zeit, ihn aufzuklären. Ich wollte nicht, dass er gleich alle für verrückt hielt. Also erzählte ich ihm ausführlich von Gisberts Bericht über die Pressekonferenz und den Theorien meines Vaters. Als ich an die Stelle mit Gisberts Freund in Bremen kam, schüttelte Johann ungläubig den Kopf.
»Du hättest mich einfach fragen können. Das kann ich dir erklären: Ich habe im letzten Jahr in Schweden gearbeitet und bin Mitte Mai erst zurückgekommen. Meine Sachen waren in Köln bei meiner Tante gelagert, bei ihr habe ich auch zwischendurch gewohnt, weil ich die Wohnung in Bremen erst zum 1.Juni gemietet hatte. Die meisten meiner Klamotten sind auch schon in Bremen. Der Hausmeister sollte ein Klingelschild anbringen, das hat er mir auch zugesichert, ich weiß nicht, warum das da noch nicht hängt.«
»Bist du auch von Köln nach Norderney gefahren? Also, als du hier ankamst?«
»Ja, wieso?«
Das war die Erklärung für
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