Urlaub mit Papa
Augen?«
»Bindehautentzündung.« Mein Vater antwortete undeutlich, er hatte schon ein Stück Rosinenbrötchen im Mund. »Deswegen hat sie auch nicht gut geschlafen.«
»Aha.«
Marleen grinste und ging an mir vorbei zur Rezeption. Mein Vater sah ihr kopfschüttelnd nach.
»Sie ist mir manchmal zu forsch. Ich möchte sie mal sehen mit Bindehautentzündung.«
»So eine richtige Bindehautentzündung ist das ja nicht.«
»Von wegen, das sieht man doch. Gestern Abend hattest du noch ganz andere Augen. Ich gehe frühstücken, Kalli kommt sicher auch gleich.«
Ich folgte ihm langsam mit dem Tablett.
Nachdem es am Strand zu kühl geworden war, waren wir zurück in die Pension gelaufen. Ohne viel darüber zu reden, hatte ich Johann auf sein Zimmer begleitet. Ich verbot meinen Gedanken, dahin abzuschweifen, ich hätte sonst weiche Knie bekommen. Trotzdem schob sich das Bild vor meine Augen, sein Gesicht, das mich morgens angesehen hatte, braune Augen unter verstrubbelten Haaren, der Mund, der so gut küssen konnte, sein Lächeln. Ich war stehen geblieben. Gesa rannte mich fast über den Haufen.
»Meine Güte, Christine, was machst du denn? Ich erschrecke mich zu Tode.«
»Guten Morgen Gesa, ich habe nur nachgedacht.«
Sie sah mich skeptisch an. »Klar. Das ist ein guter Platz zum Nachdenken. Wirklich. Wenn ich richtig überlege, sogar der beste. Wenn du hier nicht alle Probleme des Lebens gelöst kriegst, dann weiß ich auch nicht. Haben wir Ostwind oder ist bei dir irgendwas ausgehakt? Lass mich wenigstens durch, bevor du wieder in Trance fällst.«
Sie huschte an mir vorbei, ich lächelte ihr hinterher.
Mein Vater saß im Frühstücksraum an dem gewohnten Tisch. Emily zeigte ihm gerade ihr neues Möwenbild, das sie gemalt hatte, Lena pellte ihm sein Ei. Ich stellte die Kaffeekannen auf die Tische und legte meinem Vater kurz die Hand auf seine Schulter.
»Hier bitte, dein Kaffee. Na, ihr beiden?«
Lena pustete auf ihren Finger. »Das Ei ist heiß. Und deine Augen sind komisch.«
»Ich weiß.«
Ich musterte die anderen Tische im Raum, bis auf Johann und die Münster-Hiltruper Geschäftsfrauen waren alle Gäste da. Ich merkte mir, was an Kaffee, Tee oder anderen Dingen fehlte, und ging zurück in die Küche. Während ich dort hantierte, hörte ich auch schon die Stimmen von Frau Weidemann-Zapek und Frau Klüppersberg. Als ich mit der Teekanne für die beiden Damen in den Frühstücksraum kam, setzten sie sich gerade an ihren Tisch. Lena und Emily standen in unveränderter Stellung neben meinem Vater. Emily hatte etwas Triumphierendes in ihrem Blick.
»Guten Morgen, Frau Weidemann-Zapek, guten Morgen, Frau Klüppersberg.«
Mein Lächeln war Johann zu danken, ich stellte die Kannen auf den Tisch.
»Aber meine Liebe, wir waren doch schon bei den Vornamen.« Hannelore schüttelte nachsichtig den Kopf. »Nicht wahr, Mechthild?«
Mechthild Weidemann-Zapek beugte sich vor und griff nach meiner Hand. »Ja, das waren wir, Christine. Aber Sie gehören ja zum Glück noch zu der Generation, die sich scheut, schnell vertraulich zu werden.« Sie schoss einen giftigen Blick in Richtung der Zwillinge und ihrer Eltern ab. »Heutzutage haben Kinder ja kein Gespür mehr, was Anstand und Takt ist.«
Ich gab die Verständnisvolle und neigte mich zu ihr.
»Wieso? Was war denn?«
»Ach«, sie winkte nonchalant ab, »Kinder, eben. Fühlen Sie sich nicht gut? Sie sehen etwas derangiert aus.«
»Das ist nichts.« Ich winkte genauso lässig ab. »Ich habe nur etwas entzündete Augen. Brauchen Sie noch etwas?«
Beide schüttelten den Kopf und sahen zu meinem Vater. Der reagierte überhaupt nicht, sondern malte mit einem gelben Filzstift den Schnabel von Emilys Möwe aus. Die Damen sahen sich an, dann standen sie auf, um am Büfett ihre Teller zu beladen. Mein Vater zuckte zusammen, als ich mich neben ihn setzte.
»Christine, pass doch auf! Jetzt habe ich drübergemalt.«
»Entschuldigung.«
Er legte den Kopf schief. »Guck mal, Emily, der Schnabel war sowieso zu klein, Silbermöwen haben einen größeren. So. Aber jetzt muss ich in die Kneipe, es ist schon Viertel vor acht.« Er drehte sich zu mir um. »Wolltest du was? Deine Augen sind immer noch komisch.«
»Was war denn gerade mit deinen Damen?«
Emily faltete ihr Blatt ordentlich zusammen. »Das sind nicht seine Damen. Die wohnen nur hier.«
»Genau.« Mein Vater reichte Emily den Filzstift. »Sie wollten sich zu uns setzen. Weil ich so alleine sei und sie mir deshalb
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