Urlaub mit Papa
die durchgefahrene Nacht. Na bitte.
»Ach, nur so.«
Ich hörte ein Geräusch im Flur. Schritte kamen auf die Wohnzimmertür zu, ich schloss meine Augen und stellte mich schlafend. Die Schritte gingen vorbei zum Badezimmer, die Tür klappte zu, kurz darauf rauschte die Spülung, die Schritte kamen zurück, mein Vater hustete leise, dann war wieder Ruhe. Ich drehte mich auf den Bauch, vergrub mein Gesicht in der Armbeuge, Johanns Rasierwasser streichelte meine Nase.
Ich hatte kurz überlegt, Johann direkt nach Mausi zu fragen, traute mich dann doch nicht.
»Wieso machst du eigentlich allein Urlaub auf Norderney?«
Johann zögerte kurz, bevor er antwortete. »Das war… zum Ausspannen. Ich bin ja gerade erst aus Schweden zurück, habe dann den Umzug organisiert, das neue Büro eingerichtet, und, und, und. Irgendwie war ich müde und wollte Ruhe haben. Auf Norderney war noch was frei.«
»Und du hast hier niemanden kennengelernt?«
»Doch. Dich.«
»Ich meine vorher.«
Er lächelte mich so hinreißend an, dass mir schwindelig wurde. »Nein. Und ehrlich gesagt, habe ich auch keinen Bedarf nach neuen Leuten. Ich möchte meine Ruhe haben und dich vielleicht ab und zu von deiner Crew weglotsen. Das würde mich schon sehr zufrieden machen.«
Ich hoffte, dass sich meine Hand, die er nahm, nicht schwitzig anfühlte.
Es war kurz vor sechs Uhr. Ich hatte noch eine halbe Stunde Zeit für meinen Johann-Film, bevor der Wecker klingelte. Meine Augen wurden schwer, langsam wurde ich von der Müdigkeit übermannt. Ich strengte mich an, Johanns Gesicht zu sehen, es lohnte sich nicht mehr, einzuschlafen.
Irgendwann verließen wir das »Surfcafé« und liefen am Strand entlang in Richtung der Weißen Düne. Es war eine warme Nacht, der Mond glitzerte auf dem Wasser, man hörte nur das Geräusch der Wellen, sonst nichts. Es waren diese Momente, in denen man nicht glaubte, dass sie einem tatsächlich jetzt passierten. Und in denen man sich wünschte, sie würden nie aufhören. Später saßen wir in einem Strandkorb, schauten aufs Meer und erzählten uns von unserer Kindheit, unseren Träumen und Wünschen. Und küssten uns in allen Gedankenpausen…
Der Wecker riss mich aus dieser zärtlichen Wärme, der Schlaf war doch stärker als die Verliebtheit gewesen. Vielleicht lag es am Alter. Meine Hand fand den Knopf nicht gleich, das schrille Piepen tat in den Ohren weh.
»Meine Güte!« Die Stimme meines Vaters übertönte das Geräusch, ein gezielter Schlag von ihm brachte den Wecker zum Verstummen. »Bist du tot? Oder gelähmt? Das Ding brüllt seit zehn Minuten.«
Mein Vater stand im Schlafanzug vor meinem Bett und betrachtete mich aus der Höhe.
»Und ich sag noch: Mach nicht so lange. Wie spät war es denn?«
Ich vergrub meinen Kopf unter dem Kissen und murmelte etwas von, »Keine Uhr…«.
»Wieso? Wo ist denn deine Uhr? Sag bloß, du hast sie verloren. Die haben wir dir zum Dreißigsten geschenkt, die war teuer.«
»Das war vor fünfzehn Jahren.«
»Na und? Dann ist sie jetzt antik und noch teurer. Wo hast du sie denn das letzte Mal gehabt?«
»Papa!«
»Wir reden später darüber. Jetzt steh auf, es ist Viertel vor. Ich gehe zuerst ins Bad.«
Ich zog die Decke über meinen Kopf und hoffte, dass er trödelte.
»Christiieene!« Diesmal war er angezogen und roch nach Rasierwasser. »Es ist jetzt sieben Uhr. Was hast du denn alles getrunken?«
Ich setzte mich schnell auf, mir wurde schwindelig. Die Müdigkeit war jetzt bleiern.
»Um Himmels willen.« Mein Vater ging in die Knie und musterte mein Gesicht. Ich konnte ihn kaum erkennen. »Was ist denn mit deinen Augen? Die sind ja ganz rot und geschwollen. Du siehst aus, als hättest du zwei Monate nicht geschlafen.«
Genauso fühlte ich mich. Ich stellte meine Beine langsam auf den Boden und rieb mir das Gesicht. »Bindehautentzündung, glaube ich.«
Er strich mir unbeholfen über den Kopf. »Dann wasch dich erst mal, vielleicht geht es dir hinterher besser. Ich warte, bis du fertig bist.«
Mit schlechtem Gewissen schleppte ich mich ins Bad und nahm mir vor, meinem Vater am Abend von Johann zu erzählen. In Ruhe und ausführlich, schließlich sollte er ihn mögen.
Marleen drückte mir sofort ein Tablett in die Hände, als wir in die Küche kamen.
»Gut, dass du da bist, die sind heute alle so früh zum Frühstück gekommen und Gesa ist noch nicht da. Kannst du das schnell reinbringen? Ich habe zwei Abreisen. Was ist denn mit deinen
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