Urlaub mit Papa
denen ich mich beschäftigen musste.«
»Was dann? Haben dich die Pinguine so geschafft?«
»Du hättest das mal sehen sollen. Da muss man doch etwas unternehmen. Das ist ein Skandal.«
»Papa, das ist die Natur. Natürlicher Schwund. Nur die Starken überleben.«
Er war das personifizierte Entsetzen.
»Christine! Ich weiß wirklich nicht, von wem du diese brutale Art hast. Von mir jedenfalls nicht.«
Rantanplan, dachte ich und zog den letzten Faden aus der zugenähten Rocktasche.
»So«, sagte ich und hielt das Kleid hoch, »fertig.«
Mein Vater hatte das Kinn auf seine Faust gestützt und betrachtete das Kleid.
»Hast du das heute gekauft?«
Angesichts seines Bonbonhemds hatte ich Angst vor der Antwort und nickte vorsichtig.
»Das sieht schön aus. Hübsche Farbe, passt zu deinen Augen.«
Es ging ihm wirklich nicht gut. Ich setzte mich neben ihn und legte ihm die Hand auf den Rücken.
»Weißt du was? Es gibt doch bestimmt irgendeine Antarktis- oder Pinguinstiftung. Ich werde mal im Internet danach suchen. Und jetzt ziehen wir uns um und gehen essen.«
Er blickte an sich runter. »Wieso soll ich mich umziehen? Das sind doch alles neue Sachen.«
»Ja, schon«, ich bemühte mich um einen unverbindlichen Ton, »aber ich finde, dass du mit Jeans und einfarbigem Hemd etwas, nun… solider wirkst.«
»Solide? Für Kalli oder Marleen? Oder Onno? Ich habe Carsten übrigens auch zum Essen eingeladen, der gehört jetzt ja zum Team.«
Marleen würde begeistert sein. Langsam wurde unser kleines Abendessentreffen zur Großküchenveranstaltung.
»Carsten. Na gut. Hoffentlich weiß Marleen das.« Mein Vater nickte etwas zu selbstbewusst.
»O. k., ich rufe sie an. Ich habe dir die Sachen aufs Bett gelegt, wir können gleich gehen.«
Bevor ich Marleens Nummer wählen konnte, rief sie selbst an. Sie setzte mich davon in Kenntnis, dass Carsten bereits da war, er hätte seine Frau entschuldigt, sie müsse zum Kegeln. Gisbert von Meyer hätte aber abgesagt, weil er mitten in einer Observierung stecke. Dafür habe sie Johann Thiess geraten, sich zügig aus der Schusslinie diverser älterer Herren zu begeben, ich würde ihm das später erklären. Und wir sollten uns beeilen, die Würstchen wären heiß.
Mein Vater, elegant in Jeans und hellblauem Hemd, hatte zwar gemault, dass Kartoffelsalat und Würstchen allenfalls am Heiligen Abend gingen, aß aber trotzdem drei Stück und lehnte sich danach zufrieden zurück.
»Es wird einem aber schnell schlecht davon.«
Er machte seinen Gürtel ein Loch weiter.
Carsten zeichnete unterdessen seine Vorstellungen von der Inneneinrichtung auf ein Stück Papier und versuchte, Onno zu überreden, Nils’ Anweisungen zu ignorieren.
»Glaub mir, die Lampen müssen mittig über die Tische, damit man das Essen sehen kann. Mein Sohn denkt einfach nicht praktisch.«
Marleen verdrehte die Augen, ich lächelte ihr beruhigend zu und gab mir Mühe, die Uhrzeit auf Kallis Armbanduhr zu erkennen. Es war kurz vor neun. Ich zuckte zusammen, weil mein Handy in der dünnen Rocktasche des neuen Kleides vibrierte. Mein Vater beobachtete mich.
»Irgendwie bist du nervös. Merkst du eigentlich, dass du manchmal einfach so zuckst?«
»Wirklich?« Unbeteiligt griff ich zu meinem Glas. »Vielleicht sind das Muskelreflexe vom Schwimmen.«
Ich zählte bis zehn, dann stand ich auf. Mein Vater hatte anscheinend heute nicht nur ein Herz für Pinguine, sondern auch für Töchter.
»Wo willst du denn hin?«
»Aufs Klo.«
»Dann geh mal.«
»Danke.«
Auf der Toilette rief ich sofort die SMS auf: »Ich warte im ›Surfcafé‹, egal bis wann. Freue mich.«
Mir wurde warm. »Komme innerhalb der nächsten Stunde. Freue mich auch.«
Wie auch immer ich das anstellen würde. Ich zog die Spülung und ging zurück. Es waren keine fünf Minuten vergangen, trotzdem hatte sich die Stimmung verändert. Mein Vater guckte pikiert, Kalli beleidigt, Carsten ratlos, Onno hilflos. Marleen war das Ziel all dieser Blicke.
Ich sah erst sie, dann die anderen an.
»Was ist denn hier los?«
»Das musst du Marleen fragen.« Mein Vater feuerte einen bösen Blick auf sie ab. »Wir sind ihr wohl nicht genug.«
Marleen hob die Schultern. »Ich habe nur gesagt, dass Hubert morgen Mittag kommt und auch noch ein bisschen mit anpacken will.«
Carsten beugte sich vor. »Und wo soll er wohnen? Die Insel ist voll.«
»Hubert ist der Lebensgefährte meiner Tante. Die haben oben in der Pension eine eigene Wohnung. Meine Güte, am
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