Urmel im Vulkan
kleine Erhebung, von wo aus es den
Vulkankegel gut sehen konnte. Er lag so friedlich im Meer. Nur eine feine
Rauchfahne stieg aus seinem Krater auf — die konnte unmöglich gefährlich sein.
Womöglich schlief der Feuerlümmel gerade?
Jetzt oder nie! Das Urmel schwang sich in die Luft. Erst
strich es tief über dem Meer dahin, damit es von Titiwu nicht gesehen wurde. Dann
stieg es höher. Schnell kam es voran, schnell wuchs der Vulkan — mit jedem
Flügelschlag ein bißchen, bis er wie eine große, dampfende Suppenschüssel unter
ihm lag.
Da wurde das Urmel von beißendem Rauch eingehüllt. Seine Augen
tränten. Und trotzdem flog es weiter.
Es sah den schrundigen Kraterrand, aus dem es so mächtig
qualmte, in dem es rumpelte und grollte. Und da sitzt der Feuerlümmel drin,
dachte das Urmel. Es hustete. Da sitzt er drin, und nun will ich ihn mal
rauslocken und... bums!... Da kriegte es so einen glühenden Stein an die Nase,
nur einen kleinen, aber es tat sehr weh!
Bald folgte ein zweiter — und dann war es wie Hagel,
brennender Hagel. Dem Urmel verschlug es den Atem, es dachte: Nur weg! Aber das
Fliegen fiel ihm immer schwerer, es segelte fast im Sturzflug an den Fuß der
neuen Insel, wo die Wellen die schwarze, erstarrte Lava umspülten und Wasser
verdampfte.
Da wollte sich das Urmel niederlassen und ausruhen. Doch kaum
hatte es den Boden berührt, brüllte es laut auf, verzog seine Schnauze
jämmerlich, übertönte mit seinem Schmerzgeheul fast das Donnern des Vulkans.
Und es schoß in die Höhe, wie wenn es sich auf eine glühende Eisenplatte
gesetzt hätte. Das sah aus wie von einer Kanone abgeschossen. Es erreichte
Titiwu mit Mühe und Not.
Und am Abend lag es im Urmel-Zimmer auf der Urmel-Matratze.
Die gute Wutz schmierte ihm den Krokodilschwanz und die Beine und die Pfoten
mit Brandsalbe ein, die ihr der Professor frisch aus Fett und Kräutern bereitet
hatte. Und sie opferte ein ganz neues Bettlaken — so eines aus dem Kaufhaus von
Pumpolon, das König Futsch mitgebracht hatte — und machte dem Urmel sehr große,
dicke Verbände.
Da sah es aus wie nach einem Skiunfall im Gipsverband.
Und weil das Urmel sich langweilte, nahm sie eines der
gelehrten Bücher und fing an, ihm vorzulesen. Doch das Urmel quengelte: »Das
ist dummer Kram! Da kommen lauter lateinische Namen vor, die verstehe ich
nicht. Nee, nee — ich will eine schöne, rührende Geschichte vorgelesen
bekommen, eine von Feuerkönigen und Flammenprinzessinnen, die tief im Berg
leben, und von Abenteuern und Aufregungen...«
»Aber so ein Buch hat der Professor nicht. Du weißt, er ist
dagegen, öfföff!« bemerkte Wutz.
»Er ist gegen alles, was Spaß macht«, meinte das Urmel. Und es
überlegte eine Weile. Dann sagte es zu Wutz: »Schreib du mir doch einfach so
eine Geschichte! Wozu hat dir König Futsch die schöne Schreibmaschine
geschenkt, wozu hast du das Dichten schon so lange geübt?«
Nachdenklich blickte Wutz über des Professors kluges Buch.
Sehr, sehr nachdenklich.
Und dann trottete sie ebenso nachdenklich in ihr
Arbeitshäuschen am Strand, zu der Schreibmaschine mit den vielen besonders
großen Papierbogen.
Von diesem Tage an hämmerte sie auf die Tasten. Sie schrieb
und schrieb — eine Geschichte, ihr erstes Buch.
Natürlich wurde es ein Märchen, ein Abenteuer, wie sie es sich
vorstellte. Sie nannte es
URMEL IM
VULKAN
Jeden Abend las sie dem Urmel die neuen Kapitel vor. Auch dann
noch, als die dicken Umschläge schon wieder entfernt werden konnten. Auch dann
noch, als das Urmel schon wieder herumhatschte.
Das Urmel freute sich täglich mehr darauf. Es hatte tausend
Wünsche für seine eigene Rolle. Wutz erfüllte sie, so gut es eben ging, ohne
daß ihre eigene zu sehr darunter litt. Denn natürlich war eigentlich sie der
Star — ihrer Meinung nach.
Sie begann ihre Geschichte genau da, wo diese hier aufhört:
bei Urmels Krankheit. Von dort an ging ihre Phantasie ihre eigenen Wege.
Deshalb konnte sie das Innere des Vulkans nicht so schildern wie die
Naturwissenschaft. Sie ging ihre eigenen Wege — nämlich so: —
Wutz
erzählt, wie sie mit dem Urmel zu einem großen Abenteuer aufbricht
Dies ist mein erstes Buch, ein Buch von mir, Wutz, öfföff. Ich
schreibe es in der kleinen Hütte aus Bambusstäben, die Tim Tintenklecks gebaut
hat. Ich schreibe es auf der Schreibmaschine, die mir der gute König Futsch
schenkte.
Das Urmel war einmal krank. Es hatte sich den dicken Schwanz
und die
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