Utopia 2050
vertäfelten Schlafzimmers mit Rosentapete, aus dem man durch zwei breite französische Fenster auf weiten Rasen und Kieswege unter schattigen Bäumen blickte. Alles war still und friedlich; draußen herrschte klares Dämmerlicht, als hätte vor kurzer Zeit ein Regenschauer die verhältnismäßig wenig verschmutzte Luft der Inseln gereinigt.
Er fühlte sich wohl und lebendig, abgesehen von schwachem Kopfschmerz und einer leichten Übelkeit. Sein Bewußtsein war so klar wie die Luft, ruhig, friedfertig, munter. Was auch geschehen sein mochte, anscheinend befand er sich nicht unter dem Einfluß eines Beruhigungsmittels; aufgrund seiner alten Abneigung gegen Medikamente hätte er das sofort gespürt.
Andererseits empfand er keine ungewohnte qualitative Steigerung seines Intellekts, keine besondere Sinnesschärfe, keine neuartig beschleunigte Auffassungsgabe.
Als er aus dem Bett stieg, stellte er fest, daß er nackt war; durch eine Tür betrat er ein ähnlich wie das Schlafzimmer ausgestattetes Bad. Er duschte, rasierte sich, fand im Schlafzimmer seine Kleidung und zog sich an.
Noch war niemand erschienen, um nachzuschauen, ob er noch schlafe. Er betätigte das Sprechgerät neben dem Bett.
»Mr. Ho?« meldete sich eine weibliche Stimme. »Was kann ich für Sie tun?«
»Keine Ahnung«, antwortete er. »Wo bin ich?«
»Dr. Carwell und Dr. Lopayo, der Personalchef der Klinik, werden Ihnen darüber Aufklärung erteilen, sobald Sie sich imstande fühlen, mit ihnen zu sprechen. Möchten Sie unterdessen frühstücken?«
»Ja.« Et bemerkte seinen Hunger. Er bestellte Orangensaft, Speck, Toast und Kaffee und widmete seine Überlegungen der neuen Lage. Ein dunkelhaariges Mädchen in weißem, aber nicht uniformmäßigem Kleid brachte auf einem Antigrav-Tablett das Frühstück, doch als er ein Gespräch anzuknüpfen versuchte, lächelte es bloß und ging.
Zweifellos, schlußfolgerte Et, war offensichtlich, was sich mit ihm ereignet hatte. Der luxuriöse Charakter seiner Unterkunft, der Aufschrei – »Volltreffer!« – des Pflegers allein rechtfertigten die Annahme, daß die Reaktion auf das R 47 aus einer merklichen Intelligenzsteigerung bestand. Allerdings war die Hoffnung, daß eine jener seltenen Positivreaktionen vorlag, die zu einer maximalen Steigerung der mentalen Kapazität führten, wohl überhöht. Angeblich gab es in der Welt nur ungefähr sechzig Menschen, bei denen R 47 eine derartige Reaktion ausgelöst hatte, im Gegensatz zu etwa zweihundert, die – wie Wally – die extremste negative Reaktion hatten erleiden müssen.
Gegen soviel Glück sprachen gewichtige Einwände. Einer war die lächerlich geringe Wahrscheinlichkeit. Nur eine unter mehreren Millionen R 47-Injektionen schuf ein Supergenie. Seine Hoffnung hatte einer leichten Intelligenzsteigerung gegolten, gerade genug, um das Weltkonzil davon zu überzeugen, daß er ein neuer Mann war, eine Person, der man borgen konnte. Der gravierendste Grund zum Zweifel an einer einschneidenden Veränderung durch das R 47 war der, daß er sich gänzlich wie zuvor fühlte. Keine großartigen Einfälle durchzuckten sein Hirn, keine unerwartete Geistesschärfe überwältigte ihn. Es war das alte Gehirn im alten Schädel.
Jemand klopfte leise an die Tür. Er runzelte die Stirn. Keine Türglocke? Gehörte das zum altertümlichen Stil der Ausstattung? Und wenn, warum? Das Mädchen mit dem Frühstück war ohne jede Ankündigung eingetreten.
»Herein«, sagte er.
Die Tür wurde geöffnet, und drei Männer kamen ins Zimmer. Carwell in weißem Kittel; ein anderer älterer und hagerer Mann, ebenfalls in einen weißen Kittel gekleidet, und ein kleiner untersetzter Mann mittleren Alters, der Shorts und eine dazu passende Jacke trug. Er war fast kahl und besaß ein rosiges, rundliches Kindergesicht. Ein ziemlich gewöhnlicher Mann, aber irgendwie fühlte Et sich unangenehm berührt, als ihre Blicke einander begegneten.
»Mr. Ho«, sagte Carwell, und diesmal klang seine Stimme unüberhörbar freundlich, »ich darf Ihnen den Chef unserer R 47-Klinik vorstellen. Dr. Emmera Lopayo. Und dies ist Mr. Albert Wilson.«
Et erhob sich und schüttelte ihnen die Hände.
»Mr. Wilson«, sagte Dr. Lopayo, während sie die Sessel zurechtrückten, »ist Leiter der Sektion Buchführung beim Weltkonzil. Normalerweise interessiert er sich nicht für ...«
»Ich hatte gerade auf den benachbarten Inseln zu tun«, unterbrach Wilson, »und da Leute wie Sie in meinen Verantwortungsbereich
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