Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haley Tanner
Vom Netzwerk:
geschehen könnte. Trina kennt den Gesichtsausdruck bei Amerikanern. Sie hat genug davon, es macht sie fertig.
    »Nein, nicht hingerichtet   … Spielt doch keine Rolle. Sie hat genug Kriminelles getan. Prostitution, Diebstahl, Drogen. Man hätte sie für jede dieser Sachen vor Gericht stellen können. Sie war kriminell, für die Polizei war sie Dreck. Es hat keine Rolle gespielt.«
    »Waren Sie dort? Beim Prozess?«
    »Ja. Ich bin hingegangen, meine Mutter wollte aber nicht. Yelena war für sie schon tot.« Trina steht auf und blickt Vaclav direkt in die Augen, und er versteht nicht, wieso, aber ihr Blick besagt, dass sie keine Fragen mehr zu dem Prozess beantworten wird. Da gibt es etwas, das noch schmerzt.
    »Willste noch Tee?«
    »Ich habe noch Tee«, sagt er mit Blick auf seinen kalten Tee.
    Sie hebt einen Teller aus dem Spülbecken, lässt Wasser darüberlaufen und stellt ihn zurück.
    »Ich habe nicht gewusst, dass sie beim Prozess schwanger war. Ich durfte nicht mit ihr sprechen.«
    |325| »Sie haben sie also nach dem Prozess im Gefängnis besucht?«
    »Nein. Es gab den Prozess, sie war schuldig, dann sagte man mir, ich solle nach Hause gehen, aber es gab kein Urteil. Es hieß, sie würde später verurteilt. Jetzt weiß ich, dass man nur darauf gewartet hat, dass sie ihr Baby bekam. Sie hat’s im Gefängnis bekommen, danach hat man sie getötet.«
    »Moment, was meinen Sie damit   … Wann haben Sie Lena bekommen?«
    »Ich wurde ins Gefängnis bestellt, ich dachte, dass Yelena mich sehen will. Ich geh rein, erwarte Yelena, und dann geben sie mir ’n Baby. Ich sage, was ist das für ’n Baby und wo ist Yelena, und man sagt mir, das ist ihr Baby, sie ist im Krankenhaus. Ich sage, ich will sie sehen, und die sagen, das geht nicht.«
    »Man hat Ihnen einfach Lena gegeben?«
    »Yelena wollte, dass ich das Baby bekomme. Aber ich hab nicht mal gewusst, dass da ’n Baby ist.«
    »Und dann hat man sie umgebracht? Yelena?« Vaclav versucht verzweifelt, die Reihenfolge der Ereignisse herzustellen.
    »Ja. Ich weiß das. Sechs Wochen später kommt ein Brief, dass sie an Tuberkulose gestorben ist. Aber an dem Tag im Gefängnis, als sie mir das Baby geben und sagen, nein, ich kann Yelena nicht sehen, da ist sie längst tot. Das hab ich gewusst.«
    »Sie meinen also, jemand hat sie getötet, sie geradezu hingerichtet? Und dann gelogen?«
    »Ich meine, sie ist tot. Gestorben bei der Geburt oder an Tuberkulose oder durch eine Pistole am Kopf, das spielt doch keine Rolle. Man wollte ihren Tod, und sie ist tot. Es hieß, dass damals Gefangene an Tuberkulose gestorben sind. Vielleicht stimmt’s, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es wahr, dass es da |326| Tuberkulose gibt, vielleicht ist es auch wahr, dass man keine Medikamente verteilt, damit sie sich im Gefängnis so richtig ausbreitet. So oder so, jemand wollte, dass die beiden tot sind, und sie sind tot.«
    »Was haben Sie gemacht?«
    »Ich habe das Baby mit nach Hause genommen.« Ihr Blick fordert Vaclav auf, weiter zu fragen.
    »Der Vater hat es also nicht gewollt?«
    »Dieser Typ, den sie mit Yelena vor Gericht gestellt haben, wer weiß, womöglich war der nich mal der Vater. Egal, wer auch immer der Vater ist, ob dieser Mann oder ein anderer Drogenhändler oder Zuhälter. Keinem von denen gibt man ein Baby, klar?«
    »Richtig.«
    »Vergiss den Vater«, sagt sie, »der ist Dreck, ein Nichts. Tot. Ein Verbrecher. Ein Nichts. Vergiss ihn.«
    »Wie sind Sie hierher gekommen?«, fragt Vaclav, ohne ihr damit zu versprechen, Lenas Vater zu vergessen.
    »Meine Mutter hat das Baby nicht angeguckt oder berührt, sie hat es nicht auf den Arm genommen, nichts. Ich konnte sehen, sie will Yelena um jeden Preis vergessen, das Baby war zu viel für sie, das wollte sie nicht. Ich hab Milchpulver gekauft und versucht, mich um das Baby zu kümmern und trotzdem zur Arbeit zu gehen, hab Freundinnen gebeten, zu Hause auf das Baby aufzupassen, denn meine Mutter, die hat nie einen Finger gerührt.
    Eines Tages gibt sie mir einen Pass mit Yelenas Namen darauf und gefälschte Papiere für das Baby und Flugtickets für New York, John F.   Kennedy International Airport. Sie sagt mir, ich |327| soll packen und am nächsten Morgen abreisen. Sie hat für die Tickets nichts bezahlt, Mitglieder der Familie waren schon in Brooklyn, Männer, die am Import und Export von allen möglichen Drogen und Mädchen beteiligt sind und gestohlene Sachen verkaufen. Mit einigen von denen sind wir verwandt.

Weitere Kostenlose Bücher