Vaeter und Soehne
Die Damen des Bezirks betrachteten ihn als einen höchst anziehenden Melancholiker, er aber schenkte ihnen nicht die mindeste Beachtung.
»Du wirst mir zugeben, Eugen,« sagte Arkad, indem er seine Erzählung schloß, »daß du meinen Oheim falsch beurteilt hast. Ich will von den vielen Diensten nicht reden, die er meinem Vater erwiesen, dem er gar manchmal all sein disponibles Geld gab (du weißt wahrscheinlich nicht, daß sie die Güter gemeinschaftlich haben); aber ich versichere dich, daß er gegen jedermann gefällig ist, sei es, wer es wolle, und daß er sich immer auf die Seite der Bauern stellt, obwohl er sich ihnen nie nähert, ohne sich mit einer Flasche Kölnischen Wassers zu bewaffnen.«
»Versteht sich,« antwortete Bazaroff, »die Nerven!«
»Mag sein; aber er hat ein vortreffliches Herz. Übrigens fehlt es ihm auch nicht an Geist, und oft hat er mir vortreffliche Ratschläge gegeben, zumal in bezug auf die Frauen.«
»Aha, er hat sich an seinem eigenen Milchtopf verbrannt und bläst nun auf das Wasser anderer. Das ist die alte Geschichte.«
»Mit einem Wort,« fuhr Arkad fort, »er ist sehr unglücklich, das ist gewiß. Es wäre wahrlich unrecht, ihm darum böse zu sein.«
»Wer spricht denn davon!« erwiderte Bazaroff. »Was ich aber nichtsdestoweniger behaupte, ist, daß ein Mann, der sein ganzes Leben auf die Karte einer Weiberliebe gesetzt hat, und der, wenn dieser Karte verliert, sich davon so niederbeugen läßt, daß er zu nichts mehr taugt, kein Mann, kein Individuum männlichen Geschlechts ist. Du sagst, er sei unglücklich, das will ich nicht bestreiten; aber ganz hat er seine Torheit noch nicht erschöpft. Ich bin überzeugt, daß er sich für einen vollendeten Mann hält, weil er den Galignani liest und hie und da einem Bauern die Knute erspart.«
»Vergiß nicht die Erziehung, die er genossen, die Zeit, in der er gelebt hat,« antwortete Arkad.
»Seine Erziehung?« rief Bazaroff. »Ein Mann muß sich selbst erziehen, wie ich es auch getan. Was die Zeit betrifft, so sehe ich nicht ein, warum wir von ihr abhängig sein sollten. Im Gegenteil, sie müßte von uns abhängen. Nein, mein Lieber, in all dem sehe ich nur Schwäche und Läpperei. Und dann, was soll es mit den mysteriösen Beziehungen zwischen einem Mann und einer Frau für eine Bewandtnis haben? Wir Physiologen kennen die wahre Natur dieser Beziehungen! Studier einmal den Bau des Auges; ich möchte wohl wissen, ob du den Stoff zu dem rätselhaften Blick, von dem du sprachst, darin finden wirst. Das ist nur Romantik, Abschweifung, Künstlergerede. Da ists gescheiter, wir untersuchen meinen Hornflügler.«
Damit begaben sich die beiden Freunde in Bazaroffs Zimmer, in dem bereits eine Mischung von sozusagen medizinisch-chirurgischem Geruch und dem von billigem, schlechtem Tabak herrschte.
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Achtes Kapitel.
Paul blieb nicht lange bei dem Gespräche seines Bruders mit dem Verwalter zugegen. Dieser, ein Mann von hohem Wuchse, mager, mit listigem Auge, honigsüßer, flüsternder Stimme, beantwortete die Bemerkungen von Nikolaus Petrowitsch mit einem ewigen: »Ganz gewiß, ohne allen Zweifel«, wobei er stets beflissen war, die Bauern als Trunkenbolde und Diebe hinzustellen. Die neue Betriebsart, die man soeben eingeführt, tat ihre Dienste nur mit Knarren, wie ein schlecht geschmiertes Rad oder ein von einem Landhandwerker aus grünem Holz angefertigtes Möbel. Das schlug jedoch Kirsanoffs Mut keineswegs nieder, obwohl er oft seufzte und nachdenklich wurde; er begriff wohl, daß ohne Geld die Sache nicht in Gang zu bringen sei, und Geld wars, was ihm fehlte. Arkad hatte die Wahrheit gesagt: Paul Petrowitsch war seinem Bruder mehr als einmal zu Hilfe gekommen; mehr als einmal, wenn er sah, wie dieser sich den Kopf zerbrach, um sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, hatte er sich langsam dem Fenster genähert und zwischen den Zähnen gemurmelt: »Aber ich kann dir ja Geld geben.«
Und er hatte ihm auch wirklich oft geholfen; allein diesmal saß er selbst auf dem Trockenen, und darum hatte er vorgezogen, sich zu entfernen. Häusliche Erörterungen verursachten ihm überhaupt eine unüberwindliche Langeweile; zudem schien es ihm immer, Kirsanoff greife, trotz all seinem Eifer und all seiner Anstrengungen, die Sache falsch an, aber doch war es ihm selbst unmöglich, seinem Bruder zu zeigen, was er zu tun hätte. »Meinem Bruder fehlt es an Erfahrung,« sagte er zu sich, »er wird betrogen.«
Kirsanoff dagegen hatte eine hohe
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