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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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zu hoch für unser Urteil. Das ist ganz einfach eine Ausrede.«
    »Nun wohl! Ich will Ihnen sagen, daß er mir nicht geradezu mißfällt, aber ich fühle, daß wir zwei verschiedenen Welten angehören, und daß auch Sie im Grund ihm völlig fremd sind.«
    »Warum das?«
    »Wie soll ich sagen … er ist ein Raubvogel; er ist wild, und Sie und ich, wir sind gezähmt.«
    »Auch ich, ich wäre gezähmt?«
    Katia nickte bejahend.
    Arkad kraute sich hinter dem Ohr.
    »Wissen Sie, Katharina Sergejewna, daß das, was Sie mir da sagen, ein wenig beleidigend ist?«
    »Möchten Sie lieber ein Raubvogel sein?«
    »Nein, aber ich möchte stark und energisch sein.«
    »Das hängt nicht von uns ab; Ihr Freund wills nicht sein, und doch ist ers.«
    »Hm! also meinen Sie, daß er einen großen Einfluß auf Anna Sergejewna habe?«
    »Ja! aber niemand kann sie lange beherrschen,« fügte Katia leise hinzu.
    »Woraus schließen Sie das?«
    »Sie ist sehr stolz … oder nein, das wollte ich nicht sagen, sie hält viel darauf, unabhängig zu sein.«
    »Darauf hält jeder von uns,« antwortete Arkad, fragte sich aber gleich darauf: »Wozu nützt es?« Katia hatte denselben Gedanken. Wenn sich junge Leute oft sehen, kommen ihnen die gleichen Gedanken im gleichen Augenblick.
    Arkad lächelte, und, zu Katia geneigt, sagte er:
    »Gestehen Sie, daß Sie sie ein wenig fürchten.«
    »Wen?«
    »Nun – sie,« erwiderte Arkad mit bedeutungsvollem Ausdruck.
    »Und Sie?« sagte dagegen Katia.
    »Und ich auch; merken Sie, was ich sage: und ich auch.«
    Katia erhob drohend den Finger.
    »Das überrascht mich,« sagte sie; »nie war meine Schwester Ihnen so zugetan, wie gegenwärtig; sie wars viel weniger bei Ihrem ersten Besuch.«
    »Wahrhaftig?«
    »Haben Sie’s nicht bemerkt? Das ist Ihnen nicht angenehm?«
    Arkad wurde nachdenklich.
    »Wodurch habe ich mir die Gewogenheit Anna Sergejewnas erworben? Vielleicht weil ich ihr Briefe von Ihrer Mutter gebracht?«
    »Ja; aber noch aus anderen Gründen, die ich Ihnen nicht sagen werde.«
    »Warum?«
    »Ich werde sie Ihnen nicht sagen.«
    »Oh, ich zweifle keineswegs daran, Sie sind sehr eigensinnig.«
    »Eigensinnig? das ist wahr.«
    »Und Sie beobachten sehr scharf.«
    Katia blickte Arkad von der Seite an.
    »Hat Sie vielleicht etwas verstimmt? An was denken Sie?«
    »Ich frage mich, woher Sie Ihr Beobachtungstalent haben. Sie sind so furchtsam, so mißtrauisch; Sie vermeiden jedermann …«
    »Ich habe viel allein gelebt, das lehrt uns nachdenken wider Willen. Aber Sie sagen, daß ich jedermann fliehe; haben Sie das Recht, dies zu sagen?«
    Arkad warf Katia einen dankbaren Blick zu.
    »Sie haben recht,« erwiderte er; »aber Leute in Ihrer Lage, das heißt reiche Leute, haben selten Beobachtungstalent; gleich den gekrönten Häuptern kommt ihnen die Wahrheit nur durch Zufall.«
    »Aber ich bin nicht reich.«
    Arkad blieb ganz erstaunt und verstand sie zuerst nicht.
    »In der Tat, das ganze Vermögen gehört ihrer Schwester,« dachte er endlich, und dieser Gedanke war ihm durchaus nicht unangenehm. – »Wie gut Sie das gesagt haben,« setzte er laut hinzu.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie haben es gut gesagt: ohne gemachte Einfachheit, ohne falsche Scham und ohne Ziererei. Ich denke mir nämlich, daß jeder, der weiß und sagt, daß er arm ist, etwas wie Stolz empfinden muß.«
    »Ich habe nichts dergleichen empfunden, dank meiner Schwester; ich weiß nicht, wie es kam, daß ich mit Ihnen von meiner Lage gesprochen habe.«
    »Sei’s; aber gestehen Sie, daß das fragliche Gefühl, ich wollte sagen, der Stolz, Ihnen nicht ganz und gar fremd ist.«
    »Wie das?«
    »Zum Beispiel, und ich hoffe, daß meine Frage Sie nicht beleidigt, könnten Sie sich entschließen, einen reichen Mann zu heiraten?«
    »Wenn ich ihn sehr liebte … aber nein, ich glaube, daß ich ihn selbst in dem Falle nicht heiraten würde.«
    »Ah! sehen Sie,« rief Arkad, »und warum könnten Sie sich nicht dazu entschließen?«
    »Weil selbst die Lieder von einer ungleichen Heirat abraten.«
    »Sie lieben vielleicht zu herrschen, oder …«
    »O nein, wozu taugt es? Im Gegenteil, ich wäre gern bereit, mich zu unterwerfen, aber die Ungleichheit scheint mir etwas Unerträgliches. Sich selbst achten und sich unterwerfen, ich begreif es, das ist das Glück; aber die Ungleichheit, ein Leben voll Unterordnung … nein, das hab ich satt.«
    »Sie haben es satt,« wiederholte Arkad, »ja so! Sie haben nicht umsonst dasselbe Blut in den Adern,

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