Vampirdämmerung / Roman
er sie wie schlechter Whiskey in Wellen von Übelkeit, Schwindel und heißer, brutaler Pein. Constance zwang sich, die Augen zu öffnen, und schaffte es, einen winzigen Spaltausschnitt der Szenerie zu erkennen.
Sie hatten Sylvius. Verdutzt und wehrlos stand er zwischen zwei Wächtern, die ihn bei den Armen hielten. Reynard hatte sich vor dem Jungen aufgebaut und betrachtete ihn nachdenklich.
Sylvius sah von dem Captain zu Atreus und schließlich zu Constance. »Was wollt ihr mit mir tun?«, fragte er zittrig.
Reynard nahm eine winzige rot lackierte Schachtel aus seiner Tasche, die er zwischen ihnen auf den Boden stellte. Er drückte einen Riegel an der Schachtel, und der Deckel sprang auf. »Weißt du, was das ist?«
Constance wollte schreien, konnte jedoch nicht genug Atem schöpfen, um einen Laut herauszubringen.
Sylvius, der totenblass wurde, nickte. »Eine Dämonenfalle.«
Es ist ein Gefängnis, fünfundzwanzig Quadratzentimeter groß.
»Dort drinnen kann dir niemand etwas antun. Ebenso wenig kann dein Einfluss anderen schaden.« Reynard sprach mit der Aura von jemandem, der etwas Schwieriges, aber Ehrenhaftes zu tun hatte. Er war ja nicht derjenige, der in die winzige Folterkiste gesperrt wurde.
Böser, hinterhältiger Schurke!
Sylvius warf plötzlich seine Arme in die Höhe, was beide Wachen derart erschreckte, dass sie ihn losließen. Durch den Nebel ihrer Schmerzen fühlte Constance einen Stich von Angst und unglaublichem Stolz.
Er wehrt sich!
Doch sie irrte. Statt um sich zu schlagen, faltete er die Flügel aus, die er auf seinem Rücken trug, und stieg in die Luft auf. Er landete auf einem Mauervorsprung hoch über den anderen, wo er geduckt auf Händen und Knien hockte. Seine Flügel waren über ihm ausgebreitet, knochig und von dünner Haut verwoben wie die einer Fledermaus, nur sehr viel feiner und eleganter gebogen. Wie alles an ihm, waren auch die Flügel bleich und wunderschön, ihr durchsichtiges Weiß glänzend von der Hitze seines Blutes.
Sylvius lächelte höflich, ohne dass seine Augen davon berührt wurden. »Verzeihen Sie, Captain Reynard, aber ich möchte den Rest der Ewigkeit lieber nicht als Briefbeschwerer fristen.«
»Das entscheidest du nicht«, entgegnete Atreus. »Du bist mein, und ich kann mit dir verfahren, wie es mir gefällt.«
»Nein«, widersprach der Junge ruhig, »nicht in einer Angelegenheit wie dieser.«
Captain Reynard sah traurig aus. »Du bist hier ein Gefangener.«
»Aber nicht in eurer Kiste.« Sylvius flog zu einem anderen Mauervorsprung näher an der Tür, auf dem er mit der Grazie eines Greifvogels aufsetzte.
Reynard fluchte leise. Offenbar entwickelten sich die Dinge nicht seinem Plan gemäß. »Atreus?«
Constance sträubte sich nicht, als ihr die Augen wieder zufielen und sie gleichsam auf einer Schmerzwolke davontrieb. Atreus war alt, älter, als sie überhaupt ermessen konnte. Die Zeit und die seltsame Magie der Burg hatten letztlich seinen Geist zermürbt. Trotzdem hatte er auch noch seine klaren Momente. Constance betete, dies wäre einer von ihnen. Erneut kämpfte sie ihre Lider nach oben.
Und wurde enttäuscht.
Atreus hatte sich vor den Mauervorsprung begeben, auf dem Sylvius hockte. Der Zauberer zog an seinem Haar und wickelte sich einige der langen schwarzen Strähnen wieder und wieder um seine Finger. »Captain Reynard hat recht. Deine bloße Existenz stellt eine Gefahr für uns alle dar. Es wäre besser, würdest du dich ergeben.«
Mit seiner Antwort brachte Sylvius unverhohlen einen Vorwurf hervor. »Ich dachte, du liebst mich, mein König.«
»Es wäre kein Zeichen von Liebe, dich frei umherstreifen zu lassen. Zu viele begehren dich.«
»Sie begehren, was ich für sie tun könnte. Ich glaube nicht, dass ich es bin, den sie wollen.«
Die Männer standen da wie ein Gruppengemälde, ausnahmslos zu dem Dämonenengel hinaufblickend.
»Tu es aus Liebe, Sylvius!«, bedrängte Atreus ihn. »Du siehst, welchen Schaden du bereits angerichtet hast. Constance ist verletzt.«
Ich muss handeln.
Constance kroch auf allen vieren unter Viktors haarigem Bauch hervor. Bei jeder Bewegung schrie ihr Körper vor Schmerz, aber sie würde den anderen nicht als Munition dienen, die sie gegen Sylvius einsetzen konnten. Ihre Füße verfingen sich im Kleidersaum, doch es gelang ihr, sich aufzurichten und zu ihrem Jungen hinaufzusehen.
»Sylvius.«
Alle drehten sich zu ihr um.
»Hör nicht auf sie! Hier geht es nicht um dich. Sie haben Angst.«
Der Blick,
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