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Vampirdämmerung / Roman

Vampirdämmerung / Roman

Titel: Vampirdämmerung / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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mit dem er sie bedachte, brach ihr das Herz. »Das weiß ich, kleine Mutter.«
    Sämtliche Augen richteten sich auf sie, gespannt ihre Antwort erwartend. Sämtliche bis auf die des Captains. Reynard bewegte die Kiste mit seinem Fuß, schob sie ein wenig vor und drückte so wortlos aus, dass er nicht aufgeben würde. Das Reiben von Holz auf Stein nahm sich in der Stille fürchterlich laut aus.
    Ihr Stolz hielt Constance eher aufrecht als ihre Kraft. Sie war es nicht gewöhnt, anderen zu widersprechen, und allein die Kühnheit dessen machte sie noch schwindliger. »Stecken Sie die Kiste ein, Captain Reynard! Sie nehmen ihn nicht mit!«
    Viktor jaulte, doch Constance bedeutete ihm, zu bleiben, wo er war. Vorsichtig stellte sie einen Fuß vor den anderen und ging auf die Männer zu, während ihre Aufmerksamkeit einzig Sylvius galt. Er saß still und regungslos auf der Mauer und schaute Constance mit einem Blick an, als wäre er im Begriff, seine Welt zu verlieren.
Mir geht es gut. Lass nicht zu, dass sie mich als Köder benutzen, um dich in die Falle zu locken!
    Sie hörte das Rascheln von Atreus’ Umhang, als er die Hand hob, um nochmals mit einem Zauber nach ihr zu schlagen. Zu rasch wandte sie sich zu ihm um, so dass ihr noch schwindliger wurde. »Bedroh mich ruhig, wenn du willst, Meister, aber du kannst mich nicht töten. Ich bin bereits tot.«
    Er blinzelte und sah zur Seite. »Du schweigst still!«
    »Denk nach!«, konterte sie barsch. Es war nicht klug, den Zauberer zu beleidigen, aber Constance kochte vor Wut. »Du lässt dich vom Captain bedrängen, die wenigen zu verraten, die dich noch lieben.«
    Atreus blickte wütend zu ihr. »Du weißt nichts über meine Gründe!«
    »Gründe? Du bist mein Herr und Gebieter! Du solltest mich schützen!«
    Atreus starrte sie zunächst entgeistert an, dann bekam sein Blick etwas Distanziertes, bis er geradewegs durch Constance hindurchzusehen schien.
    Constances Stimme wurde lauter und fester. »Ich weiß nicht, wie ich es verhindern soll, aber ich werde es tun.«
    »Du bist ein Mädchen, eine Milchmagd, ein Niemand.«
    »Sei vorsichtig, Constance!«, warnte Captain Reynard sie leise. »Dein Mut ehrt dich, doch du kannst diese Schlacht nicht gewinnen.«
    »Ich werde alles tun, was nötig ist.«
    Atreus blinzelte, als erwachte er aus einer Trance.
    Es gab keinen Hinweis, keine warnende Geste. Constance war gänzlich unvorbereitet.
    Wieder schleuderte der Zauberer sie gegen die Mauer, nur dass er sie diesmal mit der brutalen Macht seiner Magie dort festhielt. Sie hing beinahe zwei Meter über dem Boden, wie ein Schmetterling, der in einem Schaukasten aufgespießt war. Der Zauber presste sie fest gegen den Stein. Wahnsinnig fest. Sie konnte fühlen, wie der Druck etwas in ihr anstellte, etwas, das nicht einmal Vampirkörper aushalten konnten.
    Viktor heulte empört auf, doch Atreus schlug den Werwolf mit einem zweiten Magieschwall zu Boden. Der Zauberer mochte nicht mehr hinreichend Macht besitzen, um über ein Königreich zu herrschen, aber er hatte weidlich übrig, um die zu verwunden, die ihm am nächsten standen.
    Captain Reynard sah beinahe flehentlich zu Sylvius. »Du kannst das beenden.«
    In Constance war keine Luft, dass sie hätte schreien können. Hilflos musste sie zusehen, wie Sylvius sich auf dem Mauervorsprung aufrichtete, vollkommen ratlos und verzweifelt. »Ich habe Angst.«
    »Ich schütze dich«, behauptete Reynard. »Ich gebe dir mein Wort.«
    »Aber werden Sie auch sie schützen?«, fragte Sylvius, der auf Constance und Viktor zeigte.
    Reynard nickte. »Ich sorge dafür, dass sie geschützt sind. Meine Männer werden täglich herkommen und nachsehen, ob sie wohlauf sind, und ihnen alles bringen, was sie brauchen. Das verspreche ich dir als Gegenleistung für deine Freiheit.«
    Sylvius schwieg. Doch er schien bereits zu fallen, als er noch auf den Fußballen an der Steinkante balancierte. Dann kippte er tatsächlich nach vorn, die Flügel halb geöffnet, seine Arme schlaff herabhängend. Das lange Haar fächerte sich hinter ihm, während er mit der Resignation eines Sterbenden die Augen schloss. Im Fall wurde seine Gestalt schmaler und länger, verschmolz mit dem schimmernden Nebel, der von ihm abstrahlte, zu einer Wolke. Wie Abertausende Staubpartikel, die umeinanderwirbelten, weder glitzernd noch dumpf, sondern in einem sanften Perlmutt scheinend.
    Trotz aller Abgestumpftheit, aller Verhärmtheit, stießen die Wächter im Chor einen stummen Schrei aus.

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