Vampire Academy 02 ● Blaues Blut
was genau er in einem der Trainingsräume aufgebaut hatte.
An der gegenüberliegenden Wand waren Übungsdummys auf-gestellt, Dummys, die erstaunlich lebensecht wirkten. Keine mit Stroh ausgestopften Jutesäcke. Es waren Männer und Frauen, die gewöhnliche Kleider trugen, mit gummiartiger Haut und unterschiedlichen Haar-und Augenfarben. Ihre Mienen rangierten von glücklich über verängstigt bis wütend. Ich hatte schon bei anderen Trainingsstunden mit solchen Dummys gearbeitet und sie für Übungstritte und Boxhiebe benutzt. Aber ich war noch nie mit der Waffe auf sie losgegangen, die Dimitri jetzt in der Hand hielt: ein silberner Pflock.
„Niedlich”, hauchte ich.
Er war identisch mit dem, den ich im Haus der Badicas gefunden hatte. Er hatte am unteren Ende einen Handgriff, beinahe wie ein Messergriff, allerdings ohne die kleinste Andeutung eines Handschutzes . Aber damit endete auch schon die Ähnlichkeit mit einem Dolch.
Statt einer flachen Klinge saß über dem Griff ein länglicher Kegel, der sich bis zu einer gefährlichen Spitze hin verjüngte wie ein Eispickel. Das ganze Ding war nur wenig kürzer als mein Unterarm.
Dimitri hatte sich lässig an die Wand gelehnt, in einer lockeren Haltung, die er immer bemerkenswert gut hinbekam, obwohl er fast zwei Meter groß war. Mit einer Hand warf er den Pflock in die Luft. Er wirbelte zweimal um seine Querachse und landete mit dem Griff in derselben Hand.
„Bitte, sagen Sie mir, dass ich heute lernen werde, wie man das macht”, bemerkte ich. In den dunklen Tiefen seiner Augen blitzte Erheiterung auf. Vermutlich hatte er in meiner Nähe manchmal große Mühe, seine unbewegte Miene beizubehalten.
„Sie werden sich glücklich schätzen können, wenn ich Ihnen heute erlaube, ihn in die Hand zu nehmen”, erwiderte er. Er flippte den Pflock wieder hoch. Sehnsüchtig folgte ich ihm mit meinen Blicken.
Ich hätte gerne angemerkt, dass ich schon einmal einen Pflock in der Hand gehalten hatte, aber ich wusste, dass mich diese Art von Logik nicht weiterbringen würde.
Stattdessen warf ich meinen Rucksack auf den Boden, riss mir den Mantel vom Leib und verschränkte erwartungsvoll die Arme vor der Brust. Ich trug lose sitzende, in der Taille gebundene Hosen und ein Tanktop mit einem Kapuzensweatshirt darüber. Mein dunkles Haar hatte ich brutal zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich war zu allem bereit.
„Sie wollen mir erklären, wie Pflöcke funktionieren und warum ich immer vorsichtig damit sein sollte”, verkündete ich. Dimitri hörte auf, mit dem Pflock zu spielen, und sah mich erstaunt an.
„Ich bitte Sie”, lachte ich. „Sie glauben doch nicht, ich wüsste inzwischen nicht, wie Sie vorgehen? Wir machen das jetzt seit fast drei Monaten. Ich muss jedes Mal lang und breit über Sicherheit und Verantwortung debattieren, bevor ich irgendetwas tun darf, das Spaß macht.”
„Ich verstehe”, sagte er. „Hm, ich schätze, Sie haben alles durchschaut. Aber bitte, fahren Sie mit dem Unterricht fort. Ich werde ein-lach hier drüben warten, bis Sie mich wieder brauchen.”
Er steckte den Pflock in eine lederne Scheide an seinem Gürtel und machte es sich dann wieder mit in die Taschen gestopften Händen an der Wand bequem. Ich wartete, weil ich sein Verhalten für einen Scherz hielt, aber als er nichts mehr hinzufügte, wurde mir bewusst, dass er es durchaus ernst gemeint hatte. Mit einem Achselzucken spulte ich ab, was ich wusste.
„Silber hat eine mächtige Wirkung auf alle magischen Geschöpfe - es kann ihnen helfen oder sie verletzen, wenn man genug Macht anwendet. Diese Pflöcke gehören zu dem Wirksamsten, was es aus Silber gibt, weil vier verschiedene Moroi benötigt werden, um sie anzufertigen, und sie benutzen während des Schmiedens alle vier Elemente.” Ich runzelte die Stirn, weil mir plötzlich ein Gedanke gekommen war. „Nun, mit Ausnahme des Elementes Geist. Also sind diese Pflöcke super aufgeladen und so ziemlich die einzige Waffe, die nicht der Enthauptung dient und einem Strigoi Schaden zufügen kann - aber um ihn zu töten, muss ihm der Pflock ins Herz gerammt werden.”
„Kann ein Pflock Sie verletzen?”
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich meine, ja, wenn er mir durchs Herz getrieben wird, wird mich das natürlich verletzen oder töten, aber nicht so, wie er einen Moroi verletzen würde. Man braucht sie nur damit zu kratzen, und schon erwischt es sie ziemlich übel - aber nicht so übel wie einen Strigoi. Und die Magie
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