Vampire Academy 02 ● Blaues Blut
eines Pflockes kann Menschen auch keinen Schaden zufügen.”
Ich hielt einen Moment lang inne und starrte geistesabwesend auf das Fenster hinter Dimitri. Frost bedeckte die Scheibe in glitzernden, kristallinen Mustern, aber ich nahm es kaum wahr. Die Erwähnung von Menschen im Zusammenhang mit Silberpfählen hatte mich unwillkürlich in das Haus der Badicas zurückkatapultiert. Vor meinem geistigen Auge erschienen Blut und Tod.
Als ich sah, dass Dimitri mich beobachtete, schüttelte ich die Erinnerungen ab und setzte die Lektion fort. Dimitri nickte gelegentlich oder stellte eine weitergehende Frage. Während die Zeit langsam ablief, erwartete ich immer wieder, dass er mir erklärte, ich sei fertig und könne nun damit anfangen, auf die Dummys einzudreschen.
Stattdessen wartete er bis fast zehn Minuten vor Ende unserer Stunde, bevor er mich zu einem der Dummys führte - es war ein Mann mit blondem Haar und Ziegenbärtchen. Dimitri nahm den Pflock aus der Scheide, reichte ihn mir jedoch nicht.
„Wo müssen Sie mit dem Ding ansetzen?”, fragte er.
„Am Herzen”, antwortete ich gereizt. „Das habe ich Ihnen schon hundertmal gesagt. Kann ich ihn jetzt haben?”
Er gestattete sich ein Lächeln. „Und wo sitzt das Herz?”
Ich sah ihn an, als könne ich nicht glauben, dass er diese Frage ernst gemeint hatte. Doch er zuckte lediglich die Achseln. Mit überdramatischem Nachdruck deutete ich auf die linke Seite der Brust des Dummys. Dimitri schüttelte den Kopf.
„Da sitzt das Herz nicht”, erklärte er mir.
„Natürlich ist es da. Die Leute legen sich die Hand aufs Herz, wenn sie vereidigt werden oder die Nationalhymne singen.” Er sah mich nur weiter erwartungsvoll an.
Ich drehte mich wieder zu dem Dummy um und betrachtete ihn. In den Tiefen meines Gehirns erinnerte ich mich daran, im Erste-Hilfe-Kurs gelernt zu haben, wo man die Hände hinlegen musste. Ich klopfte auf die Mitte der Brust des Dummys.
„Hier?”
Er zog eine Augenbraue hoch. Normalerweise fand ich das cool. Heute war es einfach nur nervend. „Keine Ahnung”, sagte er. „Was meinen Sie?”
„Das habe ich Sie gefragt!”
„Sie sollten mich das nicht fragen müssen. Müssen nicht alle Schüler hier Physiologie belegen?”
„ Ja . Im ersten Jahr. Aber ich war zu der Zeit , beurlaubt’, erinnern Sie sich?” Ich zeigte auf den glänzenden Pflock. „Darf ich ihn bitte jetzt anfassen?”
Er warf den Pflock abermals in die Luft und ließ ihn im Licht auf-blitzen, dann verschwand er wieder in der Scheide. „Ich will, dass Sie mir, wenn wir uns das nächste Mal sehen, sagen, wo genau das Herz sitzt . Und ich will wissen, wo man ansetzen muss, um etwas hineinzustoßen.”
Ich bedachte ihn mit meinem grimmigsten Blick, der - nach seiner Miene zu urteilen - allerdings nicht allzu grimmig ausgefallen sein konnte. Neun von zehn Mal hielt ich Dimmi für das erotischste Geschöpf, das auf Erden wandelte. Aber an Tagen wie heute ....
Übellaunig machte ich mich auf den Weg zur ersten regulären Stunde, einem Kampfkurs. Es gefiel mir nicht, mich Dimitri gegenüber zu blamieren, und ich wollte wirklich, wirklich gern einen dieser Pflöcke benutzen. Also ließ ich in der Stunde meinen Arger an jedem aus, den ich boxen oder treten konnte. Am Ende der Stunde wollte niemand mehr mit mir kämpfen. Ich hatte versehentlich Meredith getroffen - eins der wenigen anderen Mädchen in meinem Kurs -, und zwar so hart, dass sie meine Attacke sogar durch ihr Schienbeinpolster gespürt hatte. Sie würde einen hässlichen blauen Fleck zurückbehalten und sah mich dauernd an, als hätte ich ihr absichtlich Schaden zugefügt. Ich entschuldigte mich, doch es nutzte nichts.
Anschließend stöberte Mason mich abermals auf. „Oh, Mann”, sagte er und musterte mein Gesicht. „Wer hat dich denn so auf die Palme gebracht?”
Ich stürzte mich eifrig in meine Geschichte über Silberpfähle und Herzeleid. Doch zu meiner Verärgerung lachte er nur. „Wie ist es möglich, dass du nicht weißt, wo das Herz ist? Insbesondere, wenn man bedenkt, wie viele davon du gebrochen hast?”
Ich bedachte ihn mit dem gleichen grimmigen Blick, mit dem ich Dimitri angesehen hatte. Diesmal funktionierte es. Mason erbleichte. „Belikov ist ein kranker, böser Mann, den man wegen des ungeheuren Verbrechens, das er heute Morgen an dir begangen hat, in eine Grube mit tollwütigen Vipern werfen sollte.”
„Danke”, erwiderte ich geziert. Dann dachte ich nach. „Können Vipern
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