Vampire Academy 02 ● Blaues Blut
Gesicht hatte, annehmen würden, meine Wut gelte den Strigoi und nicht der Frau, die gegenwärtig das Wort an sie richtete.
Hinter Dimitri bemerkte ich plötzlich Mia, die ganz allein weiter unten in der Reihe saß. Mir war bisher nicht bewusst gewesen, dass sie hier war. Sie saß in sich zusammengesunken auf ihrem Platz. Ihre Augen waren rot gerändert und ihr Gesicht noch bleicher als gewöhnlich. Ein seltsamer Schmerz brannte in meiner Brust, einer, von dem ich nie erwartet hätte, dass ich ihn ihretwegen empfinden würde.
„Und es gibt einen Grund, warum wir warten, bis diese Wächter achtzehn werden: Auf diese Weise haben sie die Möglichkeit, so etwas wie das Zerrbild eines Lebens zu genießen, bevor wir sie zwingen, den Rest ihrer Tage in ständiger Gefahr zu verbringen. Sie brauchen diese zusätzlichen Jahre, um sich geistig wie körperlich zu entwickeln. Nehmt sie raus, bevor sie bereit sind, behandelt sie, als wären sie Fließhandprodukte - und ihr schafft damit lediglich Futter für die Strigoi.”
Einige Leute sogen scharf die Luft ein angesichts Tashas grober Wortwahl, aber es war ihr gelungen, die Aufmerksamkeit aller im Raum zu erregen.
„Noch mehr Futter schafft ihr, wenn ihr die anderen Dhampir-Frauen zu Wächterinnen machen wollt. Ihr könnt sie nicht zu diesem Leben zwingen, wenn sie es nicht wollen. Dein ganzer Plan, mehr Wächter hervorzubringen, stützt sich darauf, Kinder und Frauen, die es nicht wollen, in die Gefahrenzone zu werfen, nur damit du - mit knapper Not - dem Feind einen Schritt voraus sein kannst. Wenn ich mir nicht zuvor seinen Plan hätte anhören müssen, würde ich das vermutlich für den dümmsten Plan halten, von dem ich je gehört habe.”
Sie deutete auf den ersten Sprecher, den Mann, der sich für Moroi-Ghettos ausgesprochen hatte. Die Verlegenheit stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Dann kläre uns doch auf, Natasha”, sagte er. „Sag uns, was wir deiner Meinung nach tun sollten, da du ja schließlich über so große Erfahrung mit Strigoi verfügst.”
Ein dünnes Lächeln umspielte Tashas Lippen, aber sie ging nicht auf die Beleidigung ein. „Du willst meine Meinung hören?” Sie trat näher an den Rand des Podiums und schaute uns nacheinander an, während sie seine Frage beantwortete. „Ich denke, wir sollten aufhören, Pläne zu ersinnen, die darauf gründen, dass uns irgendjemand oder irgendetwas beschützt. Ihr denkt, wir haben zu wenige Wächter? Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass es zu viele Strigoi gibt. Und wir gestatten es ihnen, sich zu vermehren und immer mächtiger zu werden, weil wir ihnen nichts entgegensetzen als törichte Diskussionen wie diese. Wir laufen weg und verstecken uns hinter Dhampiren und lassen den Strigoi ihre Freiheit. Es ist unsere Schuld. Wir sind der Grund, warum diese Drozdovs gestorben sind. Ihr wollt eine Armee? Nun, hier sind wir. Dhampire sind nicht die Einzigen, die lernen können, wie man kämpft. Die Frage, Monica, ist nicht, wo die Dhampir-Frauen in diesem Kampf stehen. Die Frage lautet: Wo stehen wir?”
Tasha hatte die Stimme erhoben, und die Anstrengung färbte ihre Wangen rosig. Ihre Augen leuchteten vor Leidenschaft, und in Verbindung mit ihrem hübschen Gesicht - selbst mit der Narbe - gab sie eine atemberaubende Gestalt ab. Die meisten Leute konnten den Blick nicht von ihr abwenden. Lissa beobachtete Tasha voller Staunen, sichtlich inspiriert von ihren Worten. Mason wirkte wie hypnotisiert.
Dimitri schien beeindruckt zu sein. Und hinter ihm ....
Hinter ihm saß Mia. Mia hockte nicht länger auf ihrem Stuhl. Sie saß hoch aufgerichtet und mit kerzengeradem Rücken da, und ihre Augen waren riesig. Sie starrte Tasha an, als besäße diese die Antworten auf sämtliche Fragen des Lebens.
Monica Szelsky wirkte weniger beeindruckt und starrte Tasha unverwandt an. „Du willst doch gewiss nicht vorschlagen, dass die Moroi Seite an Seite mit den Wächtern kämpfen sollen, wenn die Strigoi kommen?”
Tasha musterte sie gelassen. „Nein. Ich schlage vor, dass die Moroi und die Wächter gegen die Strigoi kämpfen, bevor sie kommen.”
Ein junger Mann in den Zwanzigern, der wie ein Ralph-Lauren-Topmodel aussah, schnellte von seinem Sitz hoch. Er musste aus einer der reicheren Familien stammen, denn wer sonst hätte sich derart perfekte blonde Strähnchen leisten können? Er hatte sich einen teuren Pullover um die Taille geknotet, den er jetzt abnahm und über die Rückenlehne seines
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