Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
eine Schar Wächter mich verhaften sollte. Aber mir war klar gewesen, dass Dimitri in der ernsten Gefahr geschwebt hatte, seinen bereits prekären Stand völlig ins Wanken zu bringen. Ein zurückverwandelter Strigoi war noch nie da gewesen, und viele vertrauten ihm nach wie vor nicht. Ich hatte Dimitri angefleht aufzuhören, und meine Angst um ihn war größer als meine Angst um mich gewesen. Wie wenig hatte ich über das gewusst, was mich erwartete!
Er war zu meiner Anhörung gekommen – unter Bewachung –, aber weder Lissa noch ich hatten ihn seither gesehen. Lissa hatte alles unternommen, ihn von jeglichem Vorwurf reinzuwaschen, weil sie befürchtete, dass man ihn wieder einsperren würde. Und ich? Ich hatte mir einzureden versucht, dass ich sein Tun an jenem Tag nicht überbewerten dürfe. Meine Verhaftung und potenzielle Hinrichtung waren wichtiger. Trotzdem .... ich dachte immer wieder darüber nach. Warum hatte er es getan? Warum hatte er sein Leben für das meine riskiert? War es die instinktive Reaktion auf eine Bedrohung gewesen? Hatte er es als Gefälligkeit für Lissa getan, der er als Gegenleistung dafür, dass sie ihn befreit hatte, jede Unterstützung geschworen hatte? Oder hatte er es getan, weil er wirklich noch immer etwas für mich empfand?
Ich kannte die Antwort nach wie vor nicht, aber ihn so zu sehen wie den grimmigen Dimitri aus meiner Vergangenheit, das hatte letztlich die Gefühle wachgerufen, die ich so verzweifelt hatte überwinden wollen. Ich versuchte, mir weiter einzureden, dass es eben eine gewisse Zeit dauere, sich von einer Beziehung zu erholen. Reste von Gefühlen waren da nur natürlich. Leider brauchte man aber länger, über einen Mann hinwegzukommen, wenn er sich für einen in Gefahr begeben hatte.
Nichtsdestoweniger schenkten mir Christians und Tashas Worte hinsichtlich Dimitris Schicksal ein wenig Hoffnung. Schließlich war ich nicht die Einzige, die auf einer dünnen Linie zwischen Leben und Tod einherschritt. Jene, die davon überzeugt waren, dass Dimitri noch immer ein Strigoi war, wollten einen Pflock in seinem Herzen sehen.
„Sie halten ihn wieder gefangen“, sagte Christian. „Aber nicht in einer Zelle. Nur in seinem Zimmer, mit zwei Wachen. Sie wollen ihn nicht bei Hofe haben, bevor sich alles wieder beruhigt hat.“
„Das ist immerhin besser als Gefängnis“, gab Lissa zu.
„Es ist trotzdem absurd“, fauchte Tasha, mehr zu sich selbst als zu den anderen. Sie und Dimitri hatten sich im Laufe der Jahre recht nah gestanden, und früher einmal hatte sie diese Beziehung auf eine andere Ebene heben wollen. Dann hatte sie sich jedoch mit Freundschaft begnügt, und ihre Entrüstung über die Ungerechtigkeit, die ihm widerfuhr, war genauso stark wie unsere. „Sie hätten ihn gehen lassen sollen, nachdem er wieder zum Dhampir geworden war. Gleich nach den Wahlen werde ich dafür sorgen, dass er freikommt.“
„Und genau das ist so seltsam .... “ Christian kniff die hellblauen Augen nachdenklich zusammen. „Wir haben gehört, dass Tatiana mit anderen gesprochen hat, bevor sie – bevor sie .... “ Christian zögerte und blickte unbehaglich zu Adrian hinüber. Die Pause war untypisch für Christian, der normalerweise frei von der Leber weg sprach.
„Bevor sie ermordet wurde“, sagte Adrian energisch und ohne jemanden anzusehen. „Sprich weiter!“
Christian schluckte. „Ähm, ja. Ich vermute, sie hatte – jedoch nicht in der Öffentlichkeit – verkündet, sie glaube, dass Dimitri wirklich wieder ein Dhampir sei. Sobald die andere Sache geregelt war, wollte sie dafür sorgen, dass er entschiedener anerkannt würde.“ Die andere Sache war das Altersgesetz, das Tatiana in ihrem Brief erwähnt hatte, jenes Gesetz, demzufolge Dhampire, wenn sie sechzehn Jahre alt wurden, gezwungen werden sollten, ihren Abschluss zu machen und ihren Dienst zur Verteidigung der Moroi anzutreten. Es hatte mich sehr zornig gemacht, aber wie so viele andere Dinge war es jetzt .... na ja, es lag irgendwie auf Eis.
Adrian gab einen seltsamen Laut von sich, als räusperte er sich. Hat sie nicht.“
Christian zuckte die Achseln. „Viele ihrer Ratgeber haben aber gesagt, sie hätte es getan. So geht das Gerücht.“
„Es fällt mir ebenfalls schwer, das zu glauben“, sagte Tasha zu Adrian. Sie hatte Tatianas Politik niemals gutgeheißen und sich mehr als einmal vehement dagegen ausgesprochen. Adrians Ungläubigkeit war jedoch nicht politischer Natur. Sie entsprang lediglich
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