Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
mit Dimitri allein in die Wildnis ging, vor allem dann nicht, wenn Feuerwaffen im Spiel waren.
„Eigentlich“, meinte meine Mutter beiläufig, „würde ich gern mitkommen. Auch ich habe eine Anzahl von Fragen – vor allem hinsichtlich der Zeit, als ihr beide noch in St. Vladimir wart.“
„Müsst ihr zwei nicht irgendwohin?“, fragte ich hastig. „Wir fangen gleich an.“
Das zumindest war die Wahrheit. Fast alle hatten Position bezogen, und die Menge wurde leiser. „Natürlich“, erwiderte Abe. Zu meinem Erstaunen hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er beiseitetrat. „Ich bin froh, dass du wieder da bist.“ Dann fügte er mit einem Augenzwinkern an Dimitri gewandt hinzu: „Ich freue mich schon auf unser Plauderstündchen.“
„Lauf“, sagte ich, als sie fort waren. „Wenn du jetzt hinausschlüpfst, werden sie es vielleicht nicht bemerken. Geh zurück nach Sibirien!“
„Hm“, entgegnete Dimitri. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Abe es doch bemerken würde. Keine Sorge, Roza. Ich habe keine Angst. Ich werde es schon aushalten, wenn sie mir Feuer unterm Hintern machen, weil ich mit dir zusammen bin. Das ist es mir wert.“
„Du bist wirklich der mutigste Mann, den ich kenne“, sagte ich.
Er lächelte, und sein Blick fiel auf einen kleinen Aufruhr am Eingang. „Sieht so aus, als sei sie so weit“, murmelte er.
„Ich hoffe, ich bin es auch“, flüsterte ich zurück.
Auf wahrhaft grandiose Manier rief ein Herold die Anwesenden im Raum zur Ordnung. Vollkommenes Schweigen senkte sich herab. Man konnte nicht einmal Atemgeräusche hören.
Der Herold trat von der Tür zurück. „Prinzessin Vasilisa Sabina Reah Dragomir.“
Lissa trat ein, und obwohl ich sie vor weniger als einer halben Stunde noch gesehen hatte, blieb mir trotzdem die Luft weg. Sie trug ein formelles Gewand, hatte jedoch mal wieder auf Ärmel verzichtet. Zweifellos hatte die Schneiderin einen Anfall bekommen. Das Kleid war bodenlang, mit einem Rock aus Seiden-und Chiffonschichten, die sich bewegten und um sie herum flatterten, während sie in den Raum schritt. Der Stoff war vom gleichen Jadegrün wie ihre Augen, ebenso das Oberteil des Kleides, das einen mit Smaragden besetzten Kragen aufwies, der die Illusion einer Kette erweckte. Dazu passende Smaragde bedeckten den Gürtel des Kleides, und Armbänder komplettierten das ganze Bild. Sie trug das platinblonde Haar offen, zu einer glänzenden, vollendeten Kaskade gebürstet, eine Aura ganz für sich.
Neben ihr bildete Christian mit seinem schwarzen Haar und dem dunklen Anzug einen scharfen Kontrast. Die Sitten waren für den heutigen Tag wesentlich geändert worden, da normalerweise ein Familienmitglied Lissa eskortiert hätte, aber .... na ja, irgendwie gingen ihr wohl langsam die Familienmitglieder aus. Selbst ich musste zugeben, dass er umwerfend aussah, und sein Stolz und seine Liebe zu ihr ließen sein Gesicht erstrahlen – ganz gleich, welch aufgewühlte Gefühle sich wegen Tasha in ihm regen mochten. Lord Ozera, rief ich mir ins Gedächtnis. Ich hatte das Gefühl, dass der Titel jetzt immer wichtiger werden würde. Er führte Lissa zum Fuß des Throns und trat dann zu der Ozeraschen Delegation in der Menge.
Ekatarina vollführte eine kleine Handbewegung zu einem großen Satinkissen auf dem Boden vor den Stufen. „Kniet nieder!“ Es folgte ein winziges Zögern seitens Lissas, das wohl nur mir aufgefallen war. Selbst ohne das Band war ich so auf ihre Gefühle und winzigsten Handlungen eingestimmt, dass ich so etwas bemerkte. Ihr Blick war zu Jill gewandert. Lissas Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, und es war so seltsam, ihre Gefühle nicht zu kennen. Einiges konnte ich jedoch erraten. Unsicherheit. Verwirrung.
Wiederum währte die Pause nur einen Augenblick. Lissa kniete nieder und breitete dabei kunstvoll ihre Röcke aus. Ekatarina hatte in diesem Prüfungsraum immer so zerbrechlich und verhutzelt gewirkt, aber wie sie nun mit dem uralten Krönungsbuch der Moroi dort stand, da konnte ich spüren, dass die ehemalige Königin noch immer Macht verströmte.
Das Buch war auf Rumänisch verfasst, aber Ekatarina übersetzte es mühelos, während sie laut vorlas, beginnend mit einer Ansprache – darüber, was von einem Monarchen erwartet wurde, bevor sie sich dann den Gelübden zuwandte, die Lissa ablegen musste.
„Werdet Ihr dienen?“
„Werdet Ihr Euer Volk beschützen?“
„Werdet Ihr gerecht sein?“
Insgesamt gab es zwölf Gelübde, und
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