Vampire City
reagieren, sonst wäre das riesige Restaurant, das noch dazu am Strand lag, weg gewesen. Das war die Erklärung, die mir immer wieder durch den Kopf ging. Auf jeden Fall war es auch mein Wunsch gewesen, hier zu bleiben, zumal ich auch kurze Zeit später Mary über den Weg lief. Meine Eltern kannten mich einfach zu gut, sie wussten, dass mein Wunschtraum schon immer ein eigenes Geschäft war. Und dann war da noch diese Sache, an die ich versuchte, keinen Gedanken zu verschwenden. Etwas, das ich liebend gern aus meiner Biografie gestrichen hätte. Doch dies war unmöglich, der schwarze Fleck blieb. Bilder wallten auf, denen ich verbot, klarer zu werden. Ich atmete schwer, lehnte mich an die Wand.
Ruhig bleiben, hier kann dir nichts passieren.
Ich straffte die Schultern und trat in die kalte Herbstluft hinaus, die sich schon winterlich anfühlte, was nicht schwer bei den herumwirbelnden Flocken war. Es war deutlich kühler geworden. Ich legte meinen türkisen Schal fester um den Hals, stopfte ihn in den Mantelkragen und machte mich auf den Weg zum Cafè. Unterwegs begegneten mir viele Leute, die ich kannte, und sobald mich eine der älteren Damen in ein Gespräch verwickeln wollte, seufzte ich tief und sagte, dass ich es eilig hätte.
„Kindchen, haben Sie etwa eine Verabredung? Oh, wie schön für Sie!“, hörte ich sie hinter mir geradezu schluchzen, während ich die Augen verdrehend – das konnte ich ziemlich gut – weiterlief.
Nur weil Gott und die Welt verabredet war, musste ich es doch nicht sein, oder? Ich würde mich später auf meinen Auflauf stürzen, sodass er Angst bekam, aber vor Gabel und Messer würde er nicht davonlaufen können.
Die dekorierten Geschäfte ließen die Erinnerungen an früher wach werden, als ich Kind und auf Tour mit meinen Freundinnen gegangen war. Dabei hieß die Devise, so viel Süßkram wie möglich abzustauben. Stets hatte ich mich als Hexe verkleidet, in ein dunkles Kleid gehüllt, mit spitzem Hut und einer Warze auf der Wange. Ich liebte es, auf dem Besen die Straße entlang zu reiten, der aus Reisig bestand und lachte dabei schrill. Wir wohnten damals noch in einer Großstadt, die wir nach den Vorkommnissen fluchtartig verlassen hatten. Dies war aber erst geschehen, als ich 18 war. Ich verscheuchte die Gedanken und wäre beinahe am Little Roses vorbeigegangen.
Das ‚ Geschlossen ’ - Schild hing bereits an der Tür; ich erblickte Mary, die den Boden wischte. Auch hier hatte Halloween Einzug gehalten. Nicht nur mit der Dekoration, es gab auch Torten, die die Form von Kürbissen hatten. Sie standen in den Kühlschränken, die eine Glastür hatten, durch die man sie sehen konnte. Kurz klopfte ich an die Tür. Mary hielt inne, sah zu mir und ein Lächeln zauberte sich auf ihr hübsches Gesicht. Sie stellte den Wischmopp beiseite und öffnete die Tür, die sie gleich wieder hinter mir abschloss. Wir drückten uns fest und grinsten.
„Scheiß Wetter, was?“, sagte sie und schaute hinaus.
„Schon komisch, dass es schneit“, gab ich zur Antwort und trat mir, so gut ich konnte, die Stiefel auf dem Türvorleger ab.
„Ach, ist schon okay“, wehrte sie ab, holte den Mopp und wischte, nachdem ich eingetreten war, meine Spuren auf.
„Setz dich! Die anderen sind schon gegangen. Willst du einen Latte oder ein Stück Kuchen? Wir haben heute ganz leckeren bekommen. Eierpunschtorte.“
Sie rieb sich genüsslich den Magen und schnalzte mit der Zunge.
„Ich habe eine Verabredung, aber danke“, sagte ich und begab mich zu dem einzigen Tisch, an dem die Stühle noch auf dem Boden standen. Die anderen waren auf die Tische gestapelt.
„Mit wem? Erzähle!“, kreischte sie und folgte mir schlitternd.
Entgeistert suchte ich ihren Blick.
„Um Himmels Willen, wer ist es?“
Ihre Stimme war nur noch ein Quietschen.
„Mein Hackbraten“, schmunzelte ich.
Ihr Gesicht veränderte sich in Sekunden: Das Lachen erstarb, die Mundwinkel gingen nach unten, bis sie einer Maske glichen, dann nahmen ihre Züge einen verärgerten Ausdruck an. Ihre Augen wurden zu Schlitzen und sie schüttelte heftig den Kopf.
„Ich sollte dir mit dem Mopp eins überziehen!“, rief sie grimmig. „Das hätte ich mir doch gleich denken können! Und ich hab’ wirklich geglaubt, dass du endlich mal wieder flachgelegt wirst!“
„Mary!“
Diesmal kippte mein Tonfall über. Wie konnte sie nur? Meine beste Freundin ahnte nicht, dass ich noch niemals flachgelegt wurde. An mir hatte es nicht gelegen; alle
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