Vampire Earth 5 - Verräterblut
öffnete.
»Jetzt geht es los. Ihrem Baby geht es gut«, sagte Boothe.
Valentine musste an Malia denken. Wie war Amalees Geburt verlaufen? Süßer, beißender Ethereruch in der Luft, vermengt mit dem Aroma von Blut, Schweiß und amniotischer Flüssigkeit?
Gott, sehen die alle so aus?
Boothe zog eine froschartige Kreatur hervor, schmal, die Beine dicht an den Körper gezogen, die Arme zusammengefaltet wie die Glieder eines toten Insekts, und der brachycephalische Schädel wirkte nur umso unwirklicher, da Boothe das Kind verkehrt herum hielt. »Oh, mein Gott.«
Ein unheilvolles, gelbes Auge mit geschlitzter Pupille schielte ihm aus einer Grimasse innerlicher Höllenqualen entgegen. Das Wesen zischte, rang um Atem.
Gail Foster Post hatte einen Schlächter zur Welt gebracht.
Suki wich zurück, eine Hand vor den Mund geschlagen.
»Junge oder Mädchen?«, fragte Gail. Dann, als sie keine Antwort erhielt: »Was? Was ist los?«
Boothe zeigte es ihr.
»Tut das weg!«, schrie Gail. »Mistkerle! Verlogene Mistkerle!« Dann versagte ihre Stimme.
»Bleiben Sie still liegen«, wies Boothe sie an. »Suki, lösen Sie noch drei Tropfen in einem anderen Schnapsglas.«
»Geben Sie es mir«, sagte Valentine und streckte ihr ein Handtuch entgegen. Dann nahm er den strampelnden Säugling entgegen - reinigte den geschlechtslosen Körper.
»Was für eine Sauerei. Risswunden im ganzen Uterus«, sagte Boothe. »Ich hoffe, ich kriege das wieder hin.« Sie richtete ihre Lampe auf Valentine. »Drücken Sie ihm einfach Nase und Mund zu. Und begraben Sie es draußen.«
Valentine brachte den Säugling hinaus in die Dezemberluft und hielt ihn instinktiv dicht an sich gepresst, um ihn vor der Kälte zu schützen. Er musterte das blutverschmierte Gesicht, purpur, grün und blau, überzogen von Venen, ein Schrecken in Miniaturformat. Schwarze Fingernägel, unfassbar winzig, schimmerten feucht, als es die Hand bewegte.
Die künftige Todesmaschine hustete.
Machen gelbe Augen ein Lebewesen zu etwas Bösem? Oder eine spitze Zunge?
»Hast du eine Seele?«, fragte jemand mit seinem Kehlkopf, seiner Zunge und seinem Mund.
Valentine fragte sich, ob er diese Frage dem Neugeborenen oder sich selbst gestellt hatte. Winzige Nasenlöcher, ein langes, kleines Kinn; er könnte es mit einer Hand ersticken.
Meine DNS stimmt zu 98 Prozent mit der eines Schimpansen überein. Wie viel von meinem genetischen Code habe ich mit dir gemeinsam?
Doch wie viel es auch war, ein kleiner Anteil des genetischen Codes in diesem Kind war böse, denn er entstammte den Kur.
Oder den Weltenwebern. Wie viele Gene sie auch besitzen mochten, die Dau’weem und die Dau’wa , seien es dreißigtausend oder drei Millionen. Sie unterschieden sich nur hinsichtlich ihrer gegensätzlichen Einstellung zum Vampirismus.
Konnte er sicher sein, dass eine Kreatur, die gerade erst den Mutterbauch verlassen hatte, nur aufgrund der Erscheinung, mit der sie geboren wurde, den Tod verdient hatte?
Eine Erscheinung, die künstlich entstanden ist.
Ein Neugeborenes, unschuldig, verkörpert von einem Leib, der sich anfühlte wie zehn Pfund Zucker. Harmlos. Doch seine Erfahrung sagte ihm das Gegenteil.
Songs of Innocence and Experience , William Blake.
Unschuld und Erfahrung.
Hat der, der Blakes Lamm geschaffen hat, auch dich geschaffen?
Valentine schlug das Handtuch zu, schützte den neugeborenen Tiger vor der Kälte. Der Schlächter drehte den Kopf, fühlte etwas in Valentines Handgelenk, das ihm gefiel.
Valentine schob seine Schlagader etwas näher heran, bot sich an.
Der Mund öffnete sich, klammerte sich fest, und Valentine fühlte den Stich der spitzen Zunge. Der Einstich tat nur ein bisschen weh.
Vorsichtig nährte sich der Schlächter.
Titel der amerikanischen Originalausgabe
VAMPIRE EARTH - VALENTINE’S EXILE
Deutsche Übersetzung von Frauke Meier
Deutsche Erstausgabe 09/2010
Bearbeitung: Marcel Häußler
Copyright © 2005 by Eric Frisch
Copyright © 2010 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
eISBN: 978-3-641-05108-2
www.heyne-magische-bestseller.de
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