Vampire und andere Kleinigkeiten
betrachtete sie aufmerksam, was mich verwirrte.
»Sie müssen Socken überziehen«, ermunterte ich ihn und fragte mich, ob er zögerte, weil er dachte, er bekäme von mir die Sachen eines anderen Mannes.
»Es sind meine«, versicherte ich ihm. »Ihre Füße sind bestimmt ganz wund.«
»Ja«, sagte Preston und beugte sich ziemlich langsam vor, um sie anzuziehen.
»Soll ich Ihnen helfen?« Ich schüttete die Suppe in eine Schale.
»Nein, danke«, erwiderte er, das Gesicht verborgen von seinem dicken schwarzen Haar, während er mit Sockenanziehen beschäftigt war. »Was riecht denn hier so gut?«
»Ich habe Ihnen eine Suppe heiß gemacht«, sagte ich. »Möchten Sie Kaffee, Tee oder...«
»Tee, bitte.«
Ich selbst trank nie Tee, aber Amelia hatte welchen.
Ich sah ihre Auswahl an Sorten durch und hoffte, dass keine dieser Mischungen Preston in einen Frosch oder Ähnliches verwandeln würde. Amelias Hexenkünste hatten in der Vergangenheit schon zu so einigen unerwarteten Resultaten geführt. Aber alles, wo LIPTON draufstand, war doch sicher okay, oder? Ich goss den Teebeutel mit kochend heißem Wasser auf und hoffte mal das Beste.
Preston aß die Suppe sehr vorsichtig. Vielleicht hatte ich sie zu heiß gemacht. Er löffelte sie, als hätte er noch nie zuvor Suppe gegessen. Vielleicht hatte seine Mama ihm immer nur selbstgemachte serviert. Ich war ein wenig verlegen. Und weil ich nichts Besseres zu tun hatte, starrte ich ihn an. Als er aufsah, trafen sich unsere Blicke. Wow. Das ging alles viel zu schnell. »Wobei wurden Sie denn eigentlich verletzt?«, fragte ich hastig. »Hat es einen richtigen Kampf zwischen den beiden Rudeln gegeben? Und warum hat Ihr Rudel Sie zurückgelassen?«
»Ja, es gab einen Kampf«, erzählte er. »Die Verhand-lungen haben zu nichts geführt.« Er wirkte ein wenig unsicher und bekümmert. »Irgendwie haben sie mich im Dunkeln aus den Augen verloren.«
»Glauben Sie, die kommen zurück, um Sie zu holen?«
Er aß die Suppe auf, und ich stellte ihm den Teebecher hin. »Entweder mein eigenes Rudel oder das aus Monroe«, erwiderte er mit grimmiger Miene.
Das klang nicht gut. »Okay, ich sehe mir jetzt besser erst mal Ihre Wunde an«, sagte ich. Je eher ich wusste, wie fit er war, desto eher konnte ich entscheiden, was zu tun sein würde. Preston nahm das Handtuch vom Nacken, und ich betrachtete seine Wunde genauer.
Sie war fast verheilt.
»Wann wurden Sie verletzt?«, fragte ich.
»Im Morgengrauen.« Der Blick seiner goldbraunen Augen traf meinen. »Ich habe stundenlang dort gelegen.«
»Aber ...« Plötzlich fragte ich mich, ob es klug gewesen war, einen Fremden mit in mein Haus zu nehmen. Doch es war sicher auch nicht klug, Preston merken zu lassen, dass ich an seiner Geschichte zweifelte. Die Wunde hatte ausgefranst und abstoßend gewirkt, als ich ihn im Wald fand. Und jetzt heilte sie, seit er im Haus war, innerhalb weniger Minuten? Was hatte das zu bedeuten? Die Verletzungen von Werwölfen heilen schnell, aber so schnell nun auch wieder nicht.
»Was ist los, Sookie?«, fragte er. Es war ziemlich schwierig, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, solange sein langes feuchtes Haar so über seine nackte Brust hing und das blaue Handtuch immer tiefer rutschte.
»Sind Sie wirklich ein Werwolf?«, stieß ich hervor und trat zwei Schritte zurück. Seine Gedankenströme hatten den typischen Werwolf-Rhythmus, dieses ausfasernde, dunkle Wogen, das mir sehr vertraut war.
Preston Pardloe war völlig entsetzt. »Was sonst?«, fragte er und streckte einen Arm aus, der sich freund-licherweise sogleich mit Fell überzog, während die Finger zu Klauen wurden. Es war die müheloseste Verwandlung, die ich je gesehen hatte, und ich hatte einige mit eigenen Augen gesehen. Sogar das Ge-räusch, das den Transformationsprozess normaler-weise begleitete, war kaum zu hören gewesen.
»Sie müssen irgendeine Art Superwerwolf sein«, sagte ich.
»Meine Familie ist von der Natur mit außergewöhnlichen Gaben bedacht worden«, erwiderte er stolz. Er stand auf, und sein Handtuch glitt zu Boden.
»Allerdings«, sagte ich mit erstickter Stimme. Ich spürte förmlich, wie meine Wangen rot wurden.
Draußen ertönte ein Heulen. Es gibt keinen gruse-ligeren Laut, vor allem nicht in einer dunklen, kalten Nacht. Und wenn dieser gruselige Laut auch noch von dort kommt, wo der eigene Hof in den Wald übergeht, tja, dann stellen sich einem tatsächlich die Haare auf den Armen auf. Ich warf einen
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