Vampirsaga 02 - Honigblut
Anhängern. Er hatte sie vollkommen vergessen. So, wie er es immer tat, wenn ihn niemand aktiv an sie erinnerte.
Längst hätte er sich ihrer entledigen können, denn nun, da die Schwester der Vampirkönigin tot war, gab es niemanden, der das ungeschriebene Gesetz befolgte, dass alle Vampire, ausnahmslos alle Vampire, die Ketten tragen mussten.
Der Schatten der Königin hasste das Schmuckstück beinahe ebenso wie die Tatsache, dass er sich immer mehr in der Nacht verlor. Selbst nach dem Tod der Hexe war die Macht Mornas noch immer in den Anhängern und in jedem einzelnen Glied der Kette gespeichert, lauerte auf einen unachtsamen Moment, um ihn zu verlocken und zu verführen. Und wie zum Trotz hatte er sich geschworen, das Machtinstrument auch weiterhin zu tragen. So erinnerte er sich, dass er es niemals benutzt hatte und niemals benutzen würde, um eine sterbliche Frau an sich zu binden, und sie zu seiner Sklavin zu machen. Jennifer Schreiner Honigblut
Joel prüfte noch einmal die jungen Vampire. Keiner von ihnen trug eine von Mornas Ketten, was den Rückschluss zuließ, dass sie erst nach ihrem Tod zu Vampiren geworden waren. Alle, bis auf den Armeenschöpfer.
Der Schatten überschlug die Anzahl der Vampire, rechnete die Zeit mit ein und kam zu dem Schluss, dass es mindestens einen weiteren vampirischen Bonaparte geben musste.
„Er hat recht, für ihn ist es tatsächlich keine Wahl!“ Die Stimme durchschnitt die Nacht mit einer Leichtigkeit, die Joel sofort einordnen konnte. Nemesis Geschöpfe zeichneten sich nie durch Intelligenz aus, nur durch Jugend und Schönheit.
Der Neuankömmling trug seine Kette wie eine Trophäe. Alle fünf Perlen wiesen ein Frauenportrait auf, äußeres Zeugnis der Frauen, die im Inneren gefangen gehalten wurden, und zeugten davon, dass der Vampir eine Vorliebe für rassige Dunkelhaarige hatte.
„Selbst jetzt bist du noch ein Anhänger der Königin, nicht wahr?“ Die letzten zwei Worte waren in einem flüsternden, mitleidigen Ton ausgesprochen worden, die die übrigen Vampire zu einem leisen Lachen verleiteten.
„Ihr Lieblingsspielzeug und ihr Bettgefährte, während sie den Rest von uns mit magischen Ketten abgespeist hat?“
„Und selbst die Ketten gibt es jetzt nicht mehr, keine Macht über Frauen!“ Der Vorwurf des jungen Vampirs aus der Masse war überdeutlich. Ihm waren Frauen versprochen worden, Sex und Macht, und nichts davon hatte er bisher erhalten.
„Maeve hat ihre Machtbasis verloren!“ Das Lächeln des Neuankömmlings glich dem eines Haies – nur mit weniger Zahnreihen.
„Ist es nicht leichtsinnig, die Machtbasis der Königin einzig an magischen Schmuckstücken, Firlefanz, zu messen?“, erkundigte sich Joel liebenswürdig. Wenn das tatsächlich die einzige Macht war, über die Maeve verfügte, konnten sich diese Vampire glücklich schätzen. Er hielt Maeve für eine außergewöhnliche Frau. Wenn es jemand schaffte, die Vampire weiterhin zu vereinen und zu vernünftigen Gesetzen zu zwingen, dann sie.
„Ja, aber ihre echte Machtquelle, ihre Schwester, die Hexe, ist tot!“
Kann man Nemesis eigentlich für seinen schlechten Geschmack, was seine Zöglinge anbelangt, bestrafen?
„Und leider ist sie nicht mehr wahnsinnig!“, meinte der Feingliedrige.
Der Anführer der Schatten kannte diese Sprüche, hatte sie in all den Jahrhunderten zur Genüge gehört. Eine wahnsinnige Frau konnte selbst der stärkste und mächtigste Vampir als Königin akzeptieren. Nicht jedoch eine Logische, Kalkulierende, die nur das Beste für ihr Volk im Sinn hatte.
Joel schmunzelte innerlich. Auch wenn er seit zwei Wochen keinen Kontakt mehr zu den anderen Vampiren gehabt hatte, selbst zu seinen Schatten nicht, wusste er von den aktuellen Mordversuchen gegen Maeve und von den Rebellionen. Er wusste, dass einige Vampire versucht hatten, Herrschaftsansprüche geltend zu machen über Dörfer, Städte und ganze Länder.
Das Wissen kam zu ihm. Denn er war nicht nur einer von ihnen, er war DER Schatten. Die Verkörperung all dessen, was die Leibwache der Königin repräsentierte. Jennifer Schreiner Honigblut
Er traf eine Entscheidung. „Ihr habt genau zehn Sekunden, euch für oder gegen mich zu entscheiden“, verkündete er und weidete sich an den ungläubigen Gesichtern der nahestehenden Vampire.
Innerlich zählte er die Sekunden mit und noch bei „sechs“ griffen die Vampire als Kollektiv an. Joel hatte sein Schwert,
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