Vampyrus
„Halt die Klappe, Varn! Wir wissen beide, dass das der Wahrheit entspricht. Geh zu deinen Hexen und finde heraus, wo dieser Typ sich versteckt. Ich traue Igostri nicht. Ich traue auch dir nicht, aber wir werden sehen, wer von euch beiden mit dem Leben bezahlt und wer in meiner Gunst weiter existieren darf. Geh jetzt!“ Varn verließ den Raum, und auf eine Kopfbewegung Draculas folgte ihm János ängstlich.
Übrig blieb Hammerfall, der inzwischen vor Dracula saß und leise hechelte. „Was soll ich jetzt mit dir machen? Ich liebe die Kinder der Nacht, ihr seid meine treuen Gefährten und Verbündeten. Aber du bist abtrünnig, folgst Igostri.“ Hammerfall ließ schuldbewusst den Kopf hängen, brachte es dabei aber fertig, einen reumütigen Dackelblick auf Dracula zu richten. „Gelobst du Besserung?“ Hammerfall japste mit weit heraushängender Zunge Zustimmung. „Dann lauf und bring mir diese Haut, sonst sind wir alle verloren …“
Bischof Gellert verließ Karl in der Höhle, drückte gewissenhaft die Tür auf die Öffnung und warf Laub und Äste darauf. Am Schluss wuchtete er einen mächtigen Felsbrocken über ein Eingang. In diesem Augenblick erschien der Vollmond über den Baumwipfeln und warf harte Strahlen auf die Lichtung. Bischof Gellert stand stocksteif, als er von ihnen getroffen wurde. Karls Haut fiel ihm aus der Hand, als diese sich öffnete, länger wurde und endlich eine behaarte Pfote war. Auch des Bischofs andere Knochen knackten, wurden verformt und verbogen. Seine Kutte riss und rutschte zu Boden. Als die Verwandlung zu Ende war, konnte man nur noch an den zu langen Haaren seiner Wolfsschnauze erkennen, wer er war. Mit spitzen Zähnen nahm er die Haut auf. Er musste sie sofort in Sicherheit bringen.
Als er sich umdrehte, stand ein riesiger Wolf vor ihm. Es war zu spät. Ohne den Versuch, Widerstand zu leisten, auch nur in Erwägung zu ziehen, ließ er die Haut fallen und kauerte sich demütig nieder. Hammerfall knurrte ihn an, und mit eingezogenem Schwanz rannte der bischöfliche Werwolf panisch davon. Hammerfalls triumphierendes Geheul erschallte über Budapest. Dann nahm er die Haut und lief mit mächtigen Sätzen in die nächtliche Stadt. In seinem Versteck verwandelte er sich wieder in einen Menschen. Er zog sich an und verbarg die kostbare Haut an seinem Körper. Den Bahnsteig erreichte er, als der Morgenzug nach Wien einfuhr.
1 Korrekt müsste es heißen: Ego te absolvo, in nomine patris et filii et spiritu sancti! Bischof Gellert verwendet „abolo“, was eine schludrige Aussprache von „aboleo“, ich vernichte, ist.
Gerhard Schmeußer
Schützt die Vampire!
J eder kennt das: Man will im Supermarkt einkaufen, geht nichts ahnend durch die automatischen Glastüren und dann blockiert irgendein Informationsstand den Eingang. So ein Kasten auf Rädern mit einem Gestell oben drauf, auf dem das Logo irgendeiner Organisation prangt. Da geht es dann um herrenlose Tiere, die Verschmutzung der Meere oder Waisenkinder in Russland. Auf einem improvisierten Tresen liegen kleine Stapel mit Flugblättern, die kein Mensch mitnimmt. Normalerweise versuche ich dann immer einen Moment abzupassen, in dem jemand anderes näher an dem Stand vorbei läuft, um mich dann in dessen Deckung hastig vorbeizudrücken. Und bloß nicht angesprochen werden, denn ich kann einfach nicht unhöflich sein.
Doch der Stand, der an jenem Tag aufgebaut war, sah ungewöhnlich aus. FPVT stand da mit riesigen Buchstaben. Als ob jeder wüsste, was FPVT heißt, wie wenn da ADAC gestanden hätte. Das war schon extrem selbstbewusst. Und der Aufbau war links und rechts mit Knoblauchgirlanden geschmückt. Und erst der Betreuer! Ein Großvater mit schütteren schwarzen Haaren, Schnurrbart und einer altmodischen Kleidung. Er sah aus, als wäre er gerade der Wildnis Transsilvaniens entsprungen. Bei diesem urigen Anblick hatte ich eine Sekunde zu lange gezögert und schon erntete ich ein „Guten Tag!“ und der Herr lud mich ein, seinen Stand zu besuchen. Sein osteuropäischer Akzent war unüberhörbar. Etwas verlegen trat ich näher in der Hoffnung, dass keiner von den Nachbarn gerade vorbei kam und mich sah. Ich nahm mir fest vor, nur ein paar unverbindliche Worte zu wechseln und zu sehen, dass ich wegkam.
„Glauben Sie an Vampire?“, sprach mich der Mann an. Ich dachte zuerst an einen Witz, aber die Frage war offenbar völlig ernst gemeint. Ein wenig verärgert verneinte ich.
„Aber Sie existieren“, versicherte er mir
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