Vampyrus
sei verflucht. Er solle sofort aufhören, sich weiter mit den heulenden und blutsaugenden Geschöpfen der Nacht herumzutreiben.
Nun wussten die beiden natürlich ganz genau, dass ihre Seelen, falls sie überhaupt noch welche hatten, verflucht waren. Schließlich waren sie seit über einem Jahrhundert Vampire und hatten in Ermangelung der Verträglichkeit anderer Nahrung, Menschenblut zu sich genommen. Dennoch war dieses theoretische Wissen etwas ganz anderes, als wenn man von Oberheiligen mit Steinen beworfen oder mit erhobenem Zeigefinger gerügt wurde. János stammte aus einem winzigen Bergdorf in den Karpaten, wo Babys schon mit Rosenkranz geboren wurden, und so setzte ihm die Maßregelung der Heiligsten ordentlich zu. Aber auch Attila war so verstört, dass er Besserung gelobte und sich dem Hospital nicht mehr zu nähern traute.
Als Dracula sie mit Erde bedeckt und eng aneinandergedrückt auf halber Höhe des Bockbergs in einer Höhle fand, traute er seinen Augen nicht. Aus seinen blutrünstigen Menschenjägern waren mitleiderregende Jammerlappen geworden, die sogar vor seinem Schatten Angst hatten. Gut, sein Schatten war Furcht einflößend, aber das erschien ihm nun doch übertrieben. Er machte die beiden gehörig zur Schnecke und entzog ihnen Privilegien, wie zum Beispiel die Teilnahme an der nächsten Schlossparty. Dann hielt er ihnen einen Vortrag über das Magiergeschmeiß, das es gälte, zu beherrschen, allen voran Meister Varn, dessen erklärtes Ziel es sei, alle Vampire auszurotten. Zum Schluss sprach er noch die schlimmste Drohung aus, die ihm einfiel: „Ich will die Haut dieses Geschöpfes. Mit ihrer Hilfe werde ich Varn kontrollieren und den Genozid an unserer Rasse verhindern. Wenn ihr versagt, werde ich euch eigenhändig pfählen!“
Dracula hob bei seinen Worten theatralisch die Arme mit seinem Umhang, sodass er den Höhleneingang völlig verdunkelte. Er ließ seine Pupillen rot funkeln, zeigte seine mächtigen Eckzähne und zischte eisigen Nebel in die Höhle. Die Vorstellung verfehlte ihre Wirkung nicht. Zwar schlotterten Attila und János wieder vor Furcht, aber gegen den Zorn ihres Herrn erschienen ihnen die Flüche von hundert Heiligen wie ein lästiger Flohstich verglichen mit einem Pfahl durch ihr Herz. Panisch rannten sie zum Hospital, um zu erfahren, dass Karl gestorben und bereits beerdigt sei. Sein Grab hatten sie leer gefunden und die Verfolgung aufgenommen.
„Hier muss es sein“, Attila sog die Luft tief durch eine Haustürritze ein. Auch János schnupperte. „Es riecht nach frischem Blut. Mann, hab ich Hunger!“ Er fuhr seine Eckzähne aus und geiferte vor Verlangen. „Reiß dich zusammen“, zischte Attila. „Jetzt wird nicht getrunken. Zuerst erledigen wir unseren Auftrag.“ „Aber ich bin doch so hung …“ mitten im Wort brach János ab, als Attila ihm den Arm um den Hals schlang und zudrückte. „Wenn du nur einen Tropfen leckst, stoße ich dir eigenhändig einen Pfahl durch dein nutzloses Herz. Reiß dich zusammen! Wenn er Menschenblut getrunken hat, ist er jetzt stark. Wir werden unsere ganzen Kräfte brauchen, um ihn zu überwinden.“ „Ja doch, ja doch“, quetschte János nach Luft ringend hervor.
Attila ließ ihn los, verpasste ihm jedoch sicherheitshalber noch einen Hieb mit dem Ellbogen in die Rippen, der János japsen ließ. Dann trat Attila gegen das Schloss, die Tür sprang auf und sie stürmten in das Haus. Sofort stürzten sie sich auf Karl, der noch immer mit Liese in den Armen auf dem Boden saß. Attila umklammerte Karls Brustkorb, während János seine Beine unter Kontrolle brachte.
Bevor Karl wusste, was mit ihm geschah, hatten die beiden ihn auf den Bauch gedreht und fetzten sein Totenhemd in Stücke. Zu langsam dämmerte ihm, dass es ihm schon wieder an den Kragen gehen sollte. Als er schließlich mit einem wütenden Aufschrei seine Kräfte mobilisierte, spürte er wie ein Dolch die Haut auf seinem Rücken ritzte. „Das ist ein schönes großes Stück, zieh es ab, János.“ Der Schmerz, der nun folgte, nahm ihm Luft und Wut. Er meinte, sein Rückgrat würde Wirbel für Wirbel entfernt. Er hoffte, ohnmächtig zu werden, aber der Schmerz wurde brennender und ließ seinen ganzen Körper zittern. Als Karl glaubte, die Qual könne nicht mehr größer werden, öffnete eine neue Welle die Pforten der Hölle, und er betete schluchzend darum, sterben zu dürfen. Doch Gott erhörte seine Bitte nicht, und er wusste plötzlich, Gott würde ihn nie
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