Van Helsing
zu.
Sowie die Flammen höher loderten, verstummten die Leute unter ihm erneut, zufrieden, dass er und Vater bald vernichtet sein würden. Da wurde das neuerliche Schweigen gebrochen, diesmal durch das Klirren von Glas. Eine dunkle Gestalt löste sich von der Spitze der Burg. Obwohl sie zu weit entfernt war, um sie deutlich erkennen zu können, wusste er, dass es der andere Mann war. Er sah wie ein geflügelter Schatten aus, dem sich bald drei weitere beigesellten. Irgendetwas an den geschmeidigen Bewegungen, mit denen sie den Nachthimmel durchmaßen, wirkte befremdlich – übernatürlich.
»Vampire!«, kreischte jemand in der Menge. »Rennt um euer Leben!«
Also wusste selbst der Mob, dass der Mann gefährlich war. Aber Vater hatte ihm einst vertraut. Und trotzdem hatte der Graf ...
Er blickte nach unten und sah seinen Schöpfer reglos und bleich im Licht der Flammen liegen, die ihn jetzt umzüngelten. Rasch zog er den großen Mann an die Brust und hielt ihn fest, aber sanft in den Armen.
»Vater...«, sagte er.
Er spürte Tränen über sein Gesicht strömen, als ihm dämmerte, dass Vater tatsächlich tot war. Selbst wenn das Feuer und die Vampire verschwanden, würde es Vater nicht mehr geben. Zorn stieg in seiner Brust auf, als er sah, wie die geschmeidigen Schatten näher kamen. Vater mit einer Hand haltend, hob er die andere zum Himmel. Die wütenden Menschen, die Vampire ... sie alle wollten jene verletzen, die ihnen nichts getan hatten.
Er gab seinem Zorn eine Stimme, schrie seine Wut und seinen Schmerz hinaus. Er spürte die Hitze der Flammen und er wusste, dass es keinen Ausweg gab. Ein lautes Bersten stieg plötzlich aus den Tiefen des alten Gebäudes auf, und die Welt um ihn herum schien in Stücke zu fallen.
Ihm blieb nur ein Moment, um zu begreifen, dass sein Ende gekommen war. Feuer umloderte ihn, und ein schweres Gewicht lastete auf seinem Körper, als die Windmühle in sich zusammenfiel. Er hielt Vater weiter fest umklammert, als er stürzte und Finsternis ihn umfing.
Dracula beobachtete, wie die Windmühle implodierte und als brennende Ruine einstürzte. »Nein!«, kreischte er, glitt in die Tiefe und nahm, sobald er den Boden berührte, seine menschliche Gestalt an. Rennend näherte er sich der Ruine.
Zu spät. Dort konnte nichts mehr leben. Die Lebenden waren erbärmlich schwach, ihre Körper fielen nur allzu leicht Verletzungen und Krankheiten zum Opfer. Er spürte seine Bräute in der Nähe: Aleera, Verona und Marishka. Er musste nicht erst ihre Gesichter sehen, um zu wissen, dass das Entsetzen sich auch ihrer bemächtigt hatte.
Er stolperte zum Ort der Zerstörung und hörte seine Frauen jammern und klagen. Zum Klang ihrer Stimmen schickte das Feuer seine letzten Funken zum Himmel ... und erlosch dann, während mit ihm ihre Hoffnungen für die Zukunft starben.
Diese Kreatur ..., fluchte er innerlich. Schon zum zweiten Mal war Dracula von Frankensteins Monster überrascht worden. Zu schade, dass das Wesen bereits tot war – der Graf hätte nichts lieber getan, als es selbst zu töten.
2
Vatikanstadt, Rom
Ein Jahr später
Ein ganz in Schwarz gekleideter Mann näherte sich den Toren des Vatikans. Er war hoch gewachsen, mit einem langen Mantel, der hinter ihm im Licht des frühen Morgens flatterte. Ein breitkrempiger Hut verdeckte teilweise sein Gesicht, und man musste ihm schon recht nahe kommen, um seine langen Haare und seine Gesichtszüge zu erkennen, die hübsch, aber unrasiert und von Sorgenfalten zerfurcht waren. Die Augen des Mannes waren dunkel und seine Lippen zusammengekniffen, vielleicht sogar grausam, obwohl sich niemand nahe genug heranwagte, um diese Details zu sehen.
Als er durch das Tor trat, wurde er argwöhnisch von den Wachen beäugt. Der Vatikan war der Sitz der römisch-katholischen Kirche, das spirituelle Zentrum der westlichen Welt. Er hatte nur einen Eingang und einen Ausgang.
Wie eine Festung.
Es war eine gute Metapher. Ein Krieg tobte, und ein Großteil der Kämpfe wurde hinter den Mauern dieser Stadt gelenkt. Zu was machte ihn das? Zu einem Soldaten? Seine Vorgesetzten wollten, dass er so dachte, aber er fand diese Bezeichnung reichlich übertrieben.
Müllsammler ist zutreffender, dachte er. Eine weitere gute Metapher, eine, die seinen Oberen missfallen würde. Dieser Gedanke erheiterte ihn, und er ertappte sich dabei, dass er zum ersten Mal an diesem Tag lächelte.
Er ließ das Tor hinter sich. In der Stadt herrschte eine ganz andere
Weitere Kostenlose Bücher