Vandark - Ein Spooky-Abend am Kamin
mit dem ‚du‘?“
Melanie erhob nur leicht ihr Glas und lachte augenzwinkernd.
„Also – ich bin Michael.“
„Melanie.“
Ihr Name kam mehr gehaucht denn gesprochen über ihre Lippen. Das leichte Klirren ihrer Gläser beim Aneinanderschlagen besiegelte ihre neue Vertrautheit.
„Gut, Melanie. Du wirst sie mögen.“
Mit einem ganz behutsamen Griff fasste Michael ihren Ellbogen und führte sie zu einem Mann, der Melanie schon als der wohl mit Abstand jüngste in diesem Kreis aufgefallen war.
„Darf ich vorstellen? Steffen König. – Und das ist unser heutiger Ehrengast Melanie Görner.“
Melanie und der junge Mann begrüßten sich freundlich.
„Ach“, schritt Bechsteiner noch einmal ein, „ich spiele jetzt einfach den Maitre. Wir alle duzen uns.“
Mit dieser Attacke nahm Michael den beiden gekonnt die letzten Berührungsängste. Ohne auf eine weitere Regung der beiden zu warten, leitete er die Frau weiter.
„Ellen Pohl. Und direkt an ihrer Seite ihr Gatte Edgar. – Melanie.“
Frau Pohl fiel Melanie fast um den Hals , als sie ihr beidseitig Küsschen auf die Wangen drückte.
„Nein! Wie herrlich! Ein neues Gesicht! Hach, Kindchen, wenn ich sie so anschaue …“ Dabei warf sie Michael einen verschmitzten Blick zu. „Da hat Michael aber ein gutes Händchen …“
Ihr Mann stieß sie zwar nicht heftig, aber doch unübersehbar an.
„Liebe Melanie, nimm es meiner Frau bitt e nicht krumm. Manchmal ist sie – na, sagen wir einmal – etwas vorschnell.“
Melanie lachte fast laut los. Sie wusste nicht, warum, aber sie hatte Ellen Pohl schon in ihr Herz geschlossen. Sie und ihr Mann, beide um die Fünfzig, schienen ein vergnügliches Paar zu sein.
„Und hier haben wir unseren Bernhard.“
Melanie und der Mittvierziger stießen mit ihren Gläsern an.
„Ach, Kindchen“, schaltete Ellen Pohl sich ein, „hat Michael dir auch den ganzen Namen genannt?“ Dann prustete sie vor Lachen los. Melanie blickte Michael fragend an.
„Na ja, Melanie, Ellen macht gern ihre Scherze.“
„Scherze? Ach was, Kindchen! Schön zum Mitschreiben: Bernhard Richard Anton – und – Maria. Ist das nicht hübsch? Maria! Da fällt der Nachname Stöcker ja schon gar nicht mehr ins Gewicht, nicht wahr?“
„Ach , Ellen, meine Götterfreundin! Was wäre ich ohne dich?“, fiel Bernhard lachend ein. Melanie sah, wie beide sich miteinander frotzelnd aufs Beste verstanden. Doch konnte sie dem Gespräch der beiden nicht weiter folgen, denn Michael zog sie sanft weiter zu einem hageren Greis, der ohne Zweifel der älteste Gast in dieser Runde war. Melanie musterte die Gestalt, während sie auf sie zuschritten. Des Mannes Äugelein ruhten über den hervorstehenden Wangenknochen. Das spitze Kinn betonte das Knöcherne des Gesichtes. Das schüttere, nach hinten gekämmte Haar bedeckte die Kopfhaut nur spärlich. Der dunkelgraue Anzug hing an der langen, dürren Gestalt schlaff wie an einem Kleiderständer.
„Liebe Melanie, das ist Conny. Mit richtigem Namen Arthur Doll. Aber wir haben ihn schon vor vielen Jahren Conny getauft – wegen seiner Ähnlichkeit mit dem seligen Konrad Adenauer.“
Die Frau konnte mit diesem Vergleich wenig anfangen. Ja, sie wusste, dass dieser Adenauer einmal ein Kanzler in West-Deutschland gewesen war, aber eine wirklich bildliche Vorstellung hatte sie von ihm nicht. Vielleicht ja ab jetzt – denn so wie dieser Conny vor ihr musste er ja wohl ausgesehen haben.
„Es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Seine Stimme klang überraschend fest. Melanie hatte i n Anbetracht der klapprigen Gestalt Zittrigeres erwartet. Doch sein Auftreten schien gefestigt, resolut.
„Und hier, liebe Mel – wenn ich dich so nennen darf - …“
Melanie nickte lächelnd.
„… hier haben wir unsere verehrte Maria Schellig.“
Das Äußere der Da me ließ auf ein Alter zwischen Fünfzig und Sechzig schließen. Das leicht toupierte, blond gefärbte Haar legte sich wie eine schwach gelbe Kugel um ihren Kopf. Ganz offensichtlich mit großem Stolz trug sie ihren Schmuck zur Schau, dessen Design aus einer längst vergangenen Zeit zu stammen schien. Eine schwere Goldkette, eine perlenverzierte Brosche an ihrer blauen Kostüm-Jacke und an jeder Hand Ringe unterschiedlichster Art. Melanie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Frau tatsächlich nicht so alt war, wie sie schien.
„Herzlich Willkommen, m eine Liebe.“ Ihre Lippen mit dick aufgetragenem Rot formten sich bei ihren
Weitere Kostenlose Bücher