Vanilla High (German Edition)
recht rätselhaft. Wie schnell sie sich entschieden hat, sich mit mir in einem Hotelzimmer zu treffen. Vielleicht hat sie in den Nachrichten von der Fahndung nach mir gehört. Dahinter steckt mehr. Ich bekomme das Bedürfnis meine Fantasien und Spinnereien mit Gin zu ertränken. Es kann aber danach noch schlimmer kommen, insbesondere wenn unbekanntes Ganja mit im Boot ist. Erst noch eine Kleinigkeit essen. Ich habe Hunger auf Krebse. Es muss in diesem ozeanischen See Süßwasserkrebse geben, oder Süßwassergarnelen, irgendetwas. In der Ferne sehe ich ein Restaurant, dass seine Terrasse zum Seeufer liegen hat. Neugierig beschleunige ich meine Schritte. Es wird das sein, was ich suche. Ich erkenne seinen Namen. „Lobsters“. Es wird wohl so eine Art Bestimmung sein. Man empfängt mich im Restaurant freundlich, so als ob man schon immer auf mich gewartet hätte. Ich erzähle von meiner Reise, von meinen Fahrten. Ich bin der einzige Gast. Ja, ich werde Süßwasserhummer essen. Man beglückwünscht mich für meine gute Wahl. Zu dem süßen Fleisch müsste ein Weißer passen. „Die Weinkarte bitte!“ - „Herr Smith, hier gilt die Prohibition. Es gibt in den ganzen Staaten kein Restaurant mit einer Weinkarte“ - „Ich vergas“, sage ich entschuldigend.
Sudbury hinter mir gelassen, die letzte Zwischenstation vor Montreal. Das gleiche Spiel, meine unbekannte Begleiterin bleibt mir treu. Weiteren Gin in dieser Alkoholdiaspora USA. Meine Navigationseinheit hat nun ein neues Ziel: „The States“. Es sind nur noch wenige Meilen bis dorthin. Die Großstadt wird für mich gefährlicher werden, mehr Kameras, mehr Überwachung. The States wird nicht das Ende meiner Reise sein, und ich bin gespannt, ob Fanny Michelin mir weiterhelfen kann. Fanny hatte mich nochmals angerufen. Wir treffen uns in Zimmer 101 gegen 21:00 Uhr. Ich selbst habe auf dem Namen Jonathan Smith auch ein Zimmer gebucht. An der Rezeption sagt man mir, dass ich Zimmer 214 habe und dass mir ein Päckchen zugestellt wurde. Ich habe mich im Hotelrestaurant gestärkt. Das Essen ist nicht weiter nennenswert. Ich stärke mich weiter mit Gin und einem der Plätzchen, und jetzt ist 21Uhr15. Ich habe Gin und Plätzchen und klopfe an der Tür von 101. „Come in!“ Ich öffne die Tür und sehe Fanny. Sie sitzt auf dem Bett. Wir gucken uns länger an und sagen nichts, bis sie sich erhebt und mich umarmt. „Fanny, ich bin in großen Schwierigkeiten.“ - „Ich weiß“, sagt sie. „Du möchtest wohl, dass ich auch in große Schwierigkeiten gerate. Egal, ich freue mich, dich zu sehen. Ich weiß, was du gemacht hast, aber ich weiß nicht warum.“ Wir haben uns beide auf das Bett gesetzt, ein Bett für zwei, ein Bett für das Ehepaar Lewalde. „Das ist eine lange Geschichte, Fanny. Ich habe nach meiner Überzeugung gehandelt, nach meiner Weltanschauung, nach meiner Religion. Es gibt nichts Widernatürlicheres als das Unsterblichkeitsprogramm der Tabok. Es ist völlig pervers. Es ist der Tod der Menschheit, wie sie noch besteht. Es ist der Tod jeden wahren Lebens.“ - „Aber Arul, es ist ein Programm für das Leben. Ich jedenfalls möchte nicht sterben.“ Sie lächelt mich an und ich kann nicht anders als zurückzulächeln.“ - „Wie lange es her ist, Arul, dass wir uns gesehen haben? Es war schön mit dir, Arul. Sehr schön. Ich habe oft daran zurückgedacht.“ - „Und deine Ehe?“ - „Ja, meine Ehe ist nicht schön. Sie ist eher langweilig.“ - „Hast du Kinder?“ - „Einen Sohn, einen Kotzbrocken. Ich mag ihn nicht, jedenfalls nicht so, wie es sich für eine Mutter geziemt. Ich bin eine schlechte Mutter.“ Ich will widersprechen, kann mir das gar nicht vorstellen.“ - „Ich liebe Kinder. Mit dem Unsterblichkeitsprogramm wird es keine Kinder mehr geben. Schon das ist ein Grund gegen das Programm zu sein.“ - „Ich liebe weder meinen Mann noch mein Kind“ - „Du musst total unglücklich sein!“ - „Ach Quatsch, ich lebe im völligen Luxus, habe meine Affären, nur meine Seele kommt etwas zu kurz.“ „Und bin ich auch so eine Affäre?“ - „Wenn du dich so bezeichnen willst. Bist du verheiratet?“ - „Nein, mit der Liebe hat es bei mir nicht so geklappt.“ - „Liebe mich, Arul, liebe mich!“ Sie legt einen Arm um mich und leckt an meinem Ohrläppchen. „Ich habe uns was zu trinken mitgebracht.“ Ich stehe vom Bett auf und hole uns zwei Gläser. „Erstklassiger Gin. Ich weiß nicht, woher ich ihn bekomme.“
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