Vanilla High (German Edition)
offensichtlich zum Freund der Tabok geworden. „Elisabeth, die Tabok denken in ganz anderen Zeiträumen. Vielleicht wollen sie ja die Erde erobern, vielleicht sollen auf diesem Planeten Millionen von Tabok leben, aber sie könnten sich Tausende Jahre Zeit dafür lassen. Und im Übrigen glauben sie nicht an unseren Gott. Das macht sie von vorneherein verdächtig.“ - „Ich dachte, Paul ist dein Freund“ Paul macht Geräusche, die ich inzwischen als so eine Art Lachen einordne. „Es ist mein persönliches Geheimnis, ob nach meinem Tod mein Klon leben soll und ob dieser dann meine Erinnerung bekommt.“ - „Das ist interessant“, sage ich. „Jedes Tabokleben hat gleichen Wert, meine Existenz verhindert ein neues Tabokleben.“ - „Es sei denn, ihr würdet euch die Erde untertan machen. Unser Herr sagt: Vermehrt euch und macht euch die Welt untertan“ - „Dies ist eine absurde Botschaft. Es ist die Botschaft eines Kleingeistes.“ Ich warte darauf, dass Elisabeth irgendwie auf diese Blasphemie reagiert, aber sie schweigt. Ich kann Paul nicht böse sein, dass er Gottes Botschaft als kleingeistig bezeichnet. Ich muss mich in Toleranz üben. Auch die Familie meines Bruders denkt religiös ganz anders als ich. Ich sage auch nichts. „Paul, wir müssen etwas für diese Welt tun. Die Natur leidet, Milliarden Menschen leiden, kämpfen um ihre Existenz mit einem unsicheren Ausgang. Paul, wir müssen was tun. Befreit Afrika von Hunger und Krankheit. Gebt diesen Menschen die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu machen.“ Ich frage mich manchmal, ob Elisabeth mit diesem Aktivismus etwas gut machen will. Es ist inzwischen viel Wein geflossen und andere pflanzliche Ingredienzien sind am Werk. Es ist alles in allem eine Art verträumtes Gespräch. „Paul, wenn ich und Arul unsterblich würden, was würdest du tun?“ - „Willst du unsterblich werden Elisabeth?“ - „Ja, ich will unsterblich werden. Jetzt und sofort. Und dafür rettest du Afrika.“ Paul lacht wieder. „Die Unsterblichkeit kannst du haben, aber was sagt dein Freund dazu?“ Sie warten darauf, dass ich irgendetwas sage. Elisabeth unsterblich, ich unsterblich. Ich könnte …, könnte immer an ihrer Seite leben, ohne körperliches Gebrechen, so wie jetzt, in meinen Vierzigern, meine Vierziger für immer eingefroren, Elisabeth in ihren Dreißiger, in ihren jugendlichen Dreißiger. Liebe für immer oder fast für immer bis zu dem großen kosmischen Unfall, der unsere Existenz auslöschen würde. Aber vielleicht würden wir es bis zum Jüngsten Tag schaffen. Die Mondschaukel scheint sich auf einmal von Geisteshand zu bewegen. Ich an der Seite von Elisabeth für eine ganz lange Zeit, eine Zeit, die sich kein heutiger Mensch vorstellen kann. „Zuerst jage ich das Life Center in Vancouver in die Luft und dann lasse ich mich unsterblich machen. Was ist das denn für eine Variante?“ - „Jeder kann sich mal irren, Paul. Und ich liebe dich. Ich möchte dich nie verlieren. Ich möchte meine Kinder nie verlieren. Vielleicht habe ich eine Chance, sie in vielen Jahren wiederzusehen, in einer Zeit, in der unsere alberne Tat längst verjährt ist. Ich hoffe meine Kinder lassen sich behandeln. Sie werden ihre Mutter wiedersehen, so wie sie war, als sie fliehen musste. Aber Paul, ich fordere einen kleinen Preis dafür. Ich will, dass du die Menschheit rettest.“ Paul scheint amüsiert zu sein. Er ist wohl auch über meine Verwirrung amüsiert. Ich stelle mir vor, in diesem Park für immer zu sein, nicht nur hier zu sitzen, wenn ich alt und gebrechlich geworden bin, sondern für eine unabsehbare Zeit, für eine Zeit, die jenseits des menschlichen Vorstellungsvermögens liegt. Der Gedanke übt eine Faszination aus. Bis zum Jüngsten Tag auf dieser Insel zu verweilen und Gutes zu tun. „Elisabeth, dies ist der Tod aller zukünftigen Generationen“ - „Der Jüngste Tag ist auch der Tod aller zukünftigen Generationen“ - „Elisabeth, willst du mir den Glauben nehmen?“ - „In der Bibel steht nichts gegen die Kunst der Medizin und die Kunst der Tabok ist die perfekte medizinische Kunst.“ - „Aber Elisabeth, vor ein paar Monaten hast du diese Technik verdammt“ - „Ich habe sie unter einem anderen Gesichtspunkt verdammt. Es war die Ungleichheit, Arul. Ich war dagegen, dass Millionäre leben durften, die Armen aber nicht. Aber ich sehe, Reunion wird zu einem Paradies. Nicht nur die Armut ist besiegt, sondern auch die Krankheit. Es wird keine chronischen
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