Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
klarzustellen.
»Erst heiratet man, dann zieht man in eine gemeinsame Wohnung, und dann kommen die Kinder.«
»Warum?«
»Darum.«
Caterina startet einen neuen Angriff.
»Wir spielen, dass ich auch dabei war und ein ganz schönes weißes Kleid hatte. Und Blumen im Haar.«
»Meinetwegen.«
»Und dass ich Papa geheiratet habe.«
Dazu fällt Elisa nichts mehr ein.
»Aber du auch«, fügt Caterina hinzu. »Alle zusammen.«
Heute Abend, Furio Guerri, wird dir das unfassbare Geschenk zuteil, dein eigenes Glück bespitzeln zu dürfen.
Denn was Glück ist, das weißt du. Du hast es immer gewusst, und als es dir schließlich begegnete, hast du es sofort erkannt. Elisa Domini, berühmt für ihre ansehnliche Oberweite, die durch ihre zierliche Figur noch üppiger wirkte. Elisa Domini, fünfter Name beim morgendlichen Aufrufen, vorletzte Reihe am Fenster. Kein Pickel im Gesicht, zarte Fesseln, passables Zeugnis, wenn auch keine einzige Zwei. Die Tochter des Versicherungsinspektors hatte eine unwiderstehliche Art, sich mit dem Radiergummi ihres Bleistifts auf den Lippen herumzutrommeln. Ein Moped bekam sie nicht, weshalb sie immer mit dem Bus fuhr. Nur am Sonntag zeigte sie sich mit offenen Locken und schwarzem Minirock. Wenn die anderen Mädels die Promenade entlangflanierten, nahmen sie Elisa bereitwillig mit, aber sobald sie ihnen den Rücken zukehrte, lästerten sie über ihr Spatzenhirn. Und das nur, weil sie nicht auf »schwieriges Mädchen« machte, um in der Gegend herumbumsen zu können. Weil sie nicht kiffte und fand, dass »Rock-Kneipen stinken« und New Wave »was für Lebensmüde« sei.
Alles Neid, denn bei den Jungs gab es auf der Toilette und in der Umkleide vor dem Sportunterricht nur ein einziges Thema, und das war Elisa Domini. In welcher Stellung sie es mit ihr treiben und was sie alles mit ihr anstellen würden. Du, der allseits respektierte Sitzenbleiber, warst nur stiller Beobachter dieser hormonellen Exzesse, die auf den übermäßigen Konsum billiger Pornohefte und schlecht kopierter VHS -Kassetten schließen ließen. Was für peinliche Loser. Sie besaßen nicht einmal den Mumm, Elisa Domini ins Gesicht zu sehen. Dir war schon damals klar, dass die meisten deiner Klassenkameraden sich mit der erstbesten dieser neidischen Schnepfen zufriedengeben würden, wenn sie es auch nur halbwegs hinbekam, ihnen einen zu blasen.
Jetzt läufst du ihnen nur noch samstags im Discounter über den Weg. Mit Geheimratsecken und pseudooriginellen Brillen hecheln sie hinter vollgepackten Einkaufswagen her, obwohl in der Wettervorhersage nicht einmal der Hauch eines Unwetters angekündigt wurde. Du lächelst ihren erschöpften, in No-Name-Jeans gezwängten Gattinnen zu, du lächelst ihren quengelnden Kindern zu. Du lächelst und gratulierst dir im Stillen, was für ein toller Typ du bist, Furio.
Du lächelst, weil du Vertreter bist, und Vertreter können in jeder noch so unangenehmen Situation lächeln. Dreißig Prozent des Erfolgs machen die Schuhe aus, noch einmal so viel entfällt auf das Lächeln. Und du lächelst, weil du siehst, wie sie Elisa Domini anhimmeln, die dumme Schönheit, deine Frau. Du siehst ihnen an, wie sehr sie bedauern, auf all das für immer verzichtet zu haben, schon damals, morgens in der Umkleide der Turnhalle. Und genau das wollten sie auch dir beibringen: Sie wollten dir beibringen zu verzichten.
Du lächelst, Furio, obwohl dich manchmal die Lust überkommt, eine dieser verwelkten Ehefrauen zu fragen, ob ihr kleiner Göttergatte es ihr denn auch anständig besorge, so wie er es als Jugendlicher mit Elisa Domini vorhatte. Die jetzt Elisa Guerri heißt und deine Frau ist.
Aber du lächelst, Furio, denn du bist Vertreter. Du lächelst freundlich, lehnst dich auf deinen Einkaufswagen und sagst zu dem Mädchen, das lange vor der Kasse seine Knabberei ausgepackt hat: »Du bist aber ein hübsches Ding.«
Und selbst als das verzogene Gör weiterschmatzt, anstatt dir zu antworten, lächelst du noch.
Denn du bist Vertreter, Furio Guerri.
»Verrätst du mir, wie du heißt?«
3
D och auch ich, das Monster Furio Guerri, fühle mich manchmal wie meine früheren Klassenkameraden. Zweimal in der Woche komme ich hierher, setze mich auf die Bank unter der Pinie, packe mein Brötchen aus und verabreiche mir diese Tropfen, direkt auf die Zunge.
Und dann verbringe ich eine Stunde damit, das Objekt meiner Begierde auszuspähen.
Sicher, im Unterschied zu ihnen ist mir absolut bewusst, wie armselig das
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