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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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gegangen ist. Stellen Sie sich vor, wie es sein muss, fortwährend Stimmen zu hören, die in Ihrem Kopf schwatzen und schreien und flüstern. Stimmen, die für Sie so real klingen wie jetzt meine Stimme oder Richter Farleys oder Rick Bellidos. Stimmen, die ständig zu Ihnen sprechen, selbst im Schlaf. Und Sie wissen nicht, dass Sie krank sind, meine Damen und Herren. Sie erkennen nicht, dass etwas mit Ihnen nicht stimmt, weil das ein Teil der Krankheit ist. Schließen Sie bitte die Augen und stellen Sie sich den Schrecken vor, mit dem David jeden Tag leben muss.»
« Einspruch!», rief Rick und sprang auf, als die Geschworenen die Augen schlossen.
« Mr. Levenson verstößt gegen die goldene Regel. Er fordert die Geschworenen auf, sich in den Angeklagten hineinzuversetzen!» Farley hob skeptisch eine Augenbraue.
« Mag sein, aber die Argumentation ist schlüssig. Einspruch abgelehnt.»
« Die Stimmen flüsterten David zu, seine Kinder seien vom Teufel besessen», fuhr Levenson fort.
« Und er sah die Anzeichen für diese Besessenheit, wie er Dr. Koletis erzählte. Er sah die Teufelsmale auf ihrer Haut, auf ihren Köpfen, in ihren Haaren. Er sah die Anwesenheit des Teufels in der Art und Weise, wie sie ihr Essen kauten oder nach ihren Spielsachen griffen. Für ihn war es ein Zeichen, als sich seine Frau mit dem Küchenmesser in den Finger schnitt, die Wunde aber nicht blutete.» Er hielt inne. Wie schon bei der Befragung des Gerichtsmediziners musste er behutsam vorgehen, denn sonst gefährdete er den Ruf der Opfer.
« Wir wissen aufgrund des Spermas, das auf Jennifers Nachthemd gefunden wurde, dass sie eine Beziehung zu einem anderen Mann unterhielt», sagte er.
« Doch David kam es so vor, als schlafe seine Frau mit dem Teufel. All diese Zeichen bestätigten, was ihm die Stimmen schon seit so langer Zeit erzählten. Von diesem Zeitpunkt an weiß David, dass er nicht paranoid ist – er hat recht. Er kann den Stimmen vertrauen. Und die Stimmen prophezeien ihm, dass die Seelen seiner Kinder für immer im Höllenfeuer brennen werden, wenn ihr Vater sie nicht davor bewahrt. David sieht seine Kinder über den Frühstückstisch hinweg an und bemerkt plötzlich das Aufblitzen rotglühender Dämonenaugen oder dunkelgelber Fangzähne, wenn sie ihn anlächeln. Wenn er seine Frau küsst, spürt er, wie sich ein Stück verfaulten Fleisches von ihrer Wange schält. Der Teufel offenbart sich David Marquette. Und wieder haben die Stimmen recht. Satan ist in seinem Haus, hat Besitz von seiner Familie ergriffen, und nur David Marquette weiß davon. Nur David Marquette kann es sehen, nur er allein kann es aufhalten. Stellen Sie sich das vor, meine Damen und Herren. Es ist, als sei man unfreiwillig in einen Horrorfilm geraten. Aber David kann nicht einfach aufstehen und das Kino verlassen. Für ihn ist es nicht bloß ein Film. Für ihn ist es die Realität. Ich frage Sie – nein, nein», unterbrach sich Levenson und schüttelte den Kopf, « ich beschwöre Sie – versetzen Sie sich in diese furchtbare Welt und stellen Sie sich vor, sie sei Ihre Realität. Das ist Ihre Wirklichkeit. Das ist es, was Sie sehen, hören, schmecken, riechen und glauben. Vielleicht können Sie sich dann die furchtbare Hölle vorstellen, die mein Mandant täglich durchlebt. Das ist Schizophrenie. Das ist es, woran David Marquette leidet. Nach dem Gesetz ist jemand, der zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig war, nicht verantwortlich für seine Taten, egal, wie entsetzlich sie gewesen sein mögen.» Er sah in Rick Bellidos Richtung.
« Natürlich würden wir uns alle besser fühlen, wenn wir jemandem die Schuld für den Tod von vier Menschen geben könnten. Es wäre viel beruhigender, wenn wir David Marquette als bösartigen Mörder abstempeln könnten. Als kaltblütigen Killer, dem, wie Mr. Bellido behauptet, seine Familie egal war und der mit dem Geld aus der Versicherung seiner Frau ein sorgenfreies Leben führen wollte. Aber die Fakten sagen etwas anderes. Alle Zeugen, auch Jennifer Marquettes eigene Familie, haben ausgesagt, dass David ein wundervoller Ehemann und Vater war. Ja, er hatte im Laufe der Jahre einige Affären, aber das heißt nicht, dass er seine Frau oder gar seine Kinder umbringen wollte. Die Staatsanwaltschaft hat keinen einzigen Zeugen präsentiert, der dies ausgesagt hat. Aber der Staatsanwalt weiß, dass er den Wählern von Miami dieses widerliche, brutale Verbrechen viel leichter erklären kann, wenn er David Marquette einen

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