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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Gut», erwiderte sie nur. Dann verschwand sie in ihrem Apartment.
KAPITEL 99
    D AS ABENDESSEN bestand aus Cheeseburgern und Pommes und viel Kaffee in einem kleinen Restaurant. Lat fragte Julia nach Andrew, also erzählte sie ihm von ihrem Bruder – aber nur davon, wie er in ihrer Kindheit gewesen war, bevor die Schizophrenie seinen Verstand verwüstet hatte. Es war zu schmerzhaft, an die jüngsten Ereignisse zu denken. Sie konnte sich noch nicht eingestehen, dass die Dinge hätten anders laufen können. Dass sie in den letzten fünfzehn Jahren etwas hätte anders machen können. Lat fragte sie auch nach ihren Eltern, doch darauf antwortete Julia ihm nicht. Sie hatte nach wie vor das Gefühl, dass einige Puzzleteile fehlten, sie konnte immer noch nicht alle Ereignisse zu einem Bild zusammenfügen. Ohne die Hilfe von Nora und Jimmy würden Teile ihrer Vergangenheit für immer im Dunkel verborgen bleiben. Lat bedrängte sie nicht. Er hatte Verständnis für ihre Zurückhaltung. Dann wechselte er einfach das Thema und sprach über seine eigene Familie, über das Fischen und über Orte in Europa, die er eines Tages gern besuchen wollte. Nach einer Weile stellte Julia fest, dass sie sehr viel mehr gemeinsam hatten, als sie sich vor ein paar Monaten hätte vorstellen können. Zu ihrer Erleichterung mied Lat Themen wie die Arbeit, Fälle, Angeklagte, Verbrechen oder den Prozess gegen David Marquette, und falls er bereits wusste, dass sie entlassen worden war, erwähnte er auch dies mit keiner Silbe. Wahrscheinlich waren sie beide die einzigen Menschen in ganz Amerika, die nicht darüber spekulierten, wie lange es dauern würde, bis die Geschworenen im Fall Marquette zu einem Urteil kamen, und wie dieses Urteil lauten würde. Als Lat nach ein paar Stunden merkte, dass Julia keine Lust mehr hatte, zu reden, verließ er mit ihr das Restaurant, gab ihr seine Jacke und half ihr auf das Motorrad. Wieder führen sie noch für eine Weile an der Küste entlang, und als sich Lat schließlich auf den Rückweg machte, wünschte sich ein Teil von Julia, er wäre einfach immer weitergefahren, immer weiter, bis Miami nur noch eine verschwommene Erinnerung war. Ein winziger Fleck auf der Landkarte. Als Lat vor ihrem Apartment anhielt, dämmerte bereits der Morgen. Vor der Tür küssten sie sich zärtlich, doch Julia bat ihn nicht, noch mit hineinzukommen, und er fragte auch nicht danach. Julia fand keinen Schlaf. Dennoch spielte sie mit dem Gedanken, einfach so lange im Bett zu bleiben und sich so lange die Decke über den Kopf zu ziehen, bis die Geschworenen ihr Urteil gefällt hatten und der Fall Marquette endlich abgeschlossen war. Erst dann würde sie sich in Ruhe überlegen können, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Doch Rifkins Achtundvierzig-Stunden-Frist saß ihr im Nacken. Sie hatte zwar überhaupt keine Lust, irgendjemandem von der Staatsanwaltschaft zu begegnen – am allerwenigsten Rick oder Rifkin oder Karyn –, aber sie wollte die Frist nicht einfach verstreichen lassen und somit Gefahr laufen, ihre Habseligkeiten aus der nächsten Mülltonne fischen zu müssen. Und es gab auch niemanden, den sie bitten konnte, ihr Büro auszuräumen – niemanden, dem sie vertraute. Sie dachte kurz daran, Dayanara anzurufen, doch sie wollte sie nicht in die Sache hineinziehen. Es konnte das Aus für Days Karriere bedeuten, und das wollte Julia auf keinen Fall verantworten. Daher blieb ihr keine andere Wahl, als selbst noch einmal ins Büro zu fahren. Am Nachmittag beobachtete Julia fast eine Stunde lang von ihrem geparkten Wagen aus, wie ihre ehemaligen Kollegen das Graham Building betraten oder verließen – Kollegen, die einmal wie eine zweite Familie für sie gewesen waren, ihr nun jedoch wie Fremde erschienen. Um kurz vor sechs quoll eine wahre Menschenmenge aus dem Gebäude und strömte zu den Parkplätzen und der Eisenbahnstation. Nun war der geeignete Zeitpunkt, um hineinzugehen. Julia nahm an, dass Colleen Kay von der Personalabteilung als Erstes ihren Sicherheitsausweis gesperrt hatte. Wahrscheinlich würde sie also nicht um die Peinlichkeit herumkommen, von zwei Wachleuten in ihr Büro begleitet zu werden, die aufpassten, dass sie nur ja keine Büroklammer zu viel in ihren Karton packte. Die Eingangshalle wirkte wie ausgestorben. Auch der gelangweilt wirkende Wachmann, der sie durch den Metalldetektor winkte, schien keine Notiz von ihr zu nehmen. Julia trug T-Shirt, Jeans und Turnschuhe, hatte sich die Haare zu einem

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