Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
objektivere Haltung einnimmt als vor zwanzig Jahren.“
„Wie meinen Sie das?“
Der Politiker strich nachdenklich über seinen üppigen Bart: „Sie waren damals noch nicht in der Stadt, deshalb wissen Sie sicher nicht, dass wir von Ihrem Blatt aus allen Rohren beschossen wurden, weil wir angeblich ein eminent wichtiges Projekt zu Fall bringen wollten. Ich schlage vor, Sie lesen sich die alten Ausgaben noch einmal durch.
Velten versprach ihm, das noch heute zu tun.
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„ Kröten-Ferdi ist noch eine der harmloseren Bezeichnungen für Herrn Bauer“, erklärte Katja. Nach seinem Gespräch mit dem Umweltpolitiker war Velten in ihr gemeinsames Büro zurückgekehrt, wo seine Kollegin gerade an ihrem Beitrag über den Erdrutsch und den mysteriösen Leichenfund arbeitete. Er hatte ihr detailliert über sein Gespräch mit dem Ratsherrn berichtet. Katja hatte ihm aufmerksam zugehört. „Ich habe mir aus dem Online-Archiv gerade einige der alten Artikel und Leserbriefe zur Pfaffenwiese und zu den politischen Diskussionen, die damals darum geführt wurden, ausgedruckt. Bauer wird als Wanzenbart , Öko-Terrorist und Steinzeit-Marxist beschimpft.“
„ Wanzenbart ist gut“, gluckste Velten.
„Die Berichte im Kurier waren damals übrigens alles andere als kritisch“, fuhr Katja ungerührt fort. „Das neue Industriegebiet wird den Lesern als Lösung aller wirtschaftlichen Probleme der Stadt verkauft. Wenn ich mir solche Jubelartikel zusammenphantasieren würde, würdest du sie mir um die Ohren hauen.“
„ Ich hörte davon. Wer hat das Zeug geschrieben?“
„ Das Namenskürzel ist AKU“
„Das war Alf.“
„Alf vom Melmac?“
„ Alf aus Waldenthal. Alfred, genannt Alf, Kuntz, war die graue Eminenz in der Lokalredaktion, als ich damals zum Kurier kam. Er kannte Gott und die Welt, duzte alle wichtigen Leuten aus Politik und Verwaltung und spielte Golf mit den Neureichen. Um das Jahr 2000 herum verkrachte er sich allerdings mit der Verlagsleitung und wurde mit einer hübschen Abfindung verabschiedet.“
„Was machte er danach?“
„Soviel ich weiß, gehörte seinen Eltern in der Gegend viel Land, das er nach deren Tod nach und nach versilbert hat. Nach seiner Zeit bei uns fuhr er mit teuren Sportwagen durch die Gegend und verjubelte sein Geld, als gebe es kein Morgen. Vor ein paar Jahren ist er in eine ziemlich protzige Villa gezogen. Er muss jetzt um die siebzig sein.“
„War er korrupt?“
„Das ist ein dehnbarer Begriff. Von journalistischer Distanz hielt er jedenfalls nie viel. Lokalredakteure seines Schlages gibt es heute kaum noch, und das ist auch gut so.“
„Ja, zum Glück hat sich seit damals einiges verändert“, stellte Katja fest. „Ich mache mich jetzt an die Arbeit und schreibe den Artikel.
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„ Pfaffenwiese “: Erdrutsch lässt alte Diskussionen aufleben
Von Katja Marcks
Die anhaltenden Regenfälle, die seit Tagen über Südwestdeutschland niedergehen, haben in der Nacht von Sonntag auf Montag zu einem massiven Erdrutsch im Bereich der südwestlichen Zufahrt zum Industriepark „ Pfaffenwiese “ geführt. Nach ersten Vermutungen von Mitabeitern des Bauamtes, die den Schaden am Montagmorgen vor Ort in Augenschein nahmen, haben die Wassermassen eine Stützmauer so weit unterspült, dass die ganze Konstruktion in sich zusammengebrochen und mit Tonnen von Geröll auf die Straße gestürzt ist. Die Aufräumarbeiten und die Sicherung der Zufahrt dürften noch mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Oberbürgermeister Roland Dubois sagte auf Anfrage unserer Zeitung, es sei nicht ungewöhnlich, dass ein solches Bauwerk nach tagelangen Regenfällen schließlich nachgibt. Die Ereignisse an der „ Pfaffenwiese “ seien kein Anzeichen für Bau- oder Planungsmängel. Dubois war vor rund zwanzig Jahren als stellvertretender Leiter des Bauamtes eng mit dem Projekt befasst.
Völlig anders beurteilt Ferdinand Bauer, Vorsitzender der Öko-Partei im Stadtrat, die Situation. Er beruft sich auf ein Gutachten, das seinerzeit im Auftrag seiner Fraktion angefertigt wurde und das dem Waldenthaler Morgenkurier vorliegt. Darin heißt es: „Steigungswinkel und Bodenbeschaffenheit des Hangs über der geplanten Zufahrt zum projektierten Industriegebiet ‚ Pfaffenwiese ’ lassen es zweifelhaft erscheinen, dass sich die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die Stützmauer, langfristig als ausreichend erweisen. Vor allem nach anhaltenden, ergiebigen Niederschlägen ist mit
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