Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
Journalisten allein.
Velten schenkte sich eine Tasse Kaffee ein , während Katja einen Beutel Pfefferminztee in heißem Wasser versenkte. Während der Tee zog, packte sie ihren Tablet PC aus und platzierte ihn samt der Bluetooth-Tastatur auf dem Tisch. „Meine Fotos vom Erdrutsch haben gestern mehr als zweihundert Likes bekommen“, merkte sie stolz an.
Er nippte vorsichtig an seinem heißen Kaffee. Ihm war es ein Rätsel, wie man einen Erdrutsch liken konnte. „Gratuliere. Ich finde es erstaunlich, dass solche banalen Inhalte mehr Zuspruch bekommen als die Artikel, die wir in den Sozialen Netzwerken verlinken.“
„Ist doch logisch. Zu einem Bild oder einem kurzen Statement kann sich jeder sofort eine Meinung bilden.“
„Verstehe. Einen Bericht muss man mühsam lesen, und das bringen die meisten Internetnutzer nicht fertig.“
„Quatschkopf“, gab sie zurück. „Ich bin davon überzeugt, dass viele über die Fotos zu den Beiträgen gelangen und sie auch lesen, auch wenn sich das nicht in den Likes niederschlägt. Nina Jost sieht das genauso.“
„Ich weiß.“
„Ich finde es übrigens gut, dass Ihr das Versteckspiel aufgegeben habt und offen zu eurer Beziehung steht“, meinte sie. Tatsächlich hatte Nina lange darauf bestanden, ihre Partnerschaft vor der Redaktion geheim zu halten. Selbst Katja hatte nichts geahnt. Velten war die Heimlichtuerei schnell auf die Nerven gegangen.
Bevor er seiner Kollegin antworten konnte, öffnete sich die Tür und Hagen Leonhard trat ein. Der feiste Bauunternehmer, dessen Gesicht mit den hängenden Wangen und den kleinen Augen entfernt an einen Mastino Napoletano erinnerte, schüttelte zuerst Velten und dann Katja die Hand. Sie überreichte ihm ihre Visitenkarte, die er achtlos auf den Tisch legte. Er trug Blue Jeans und ein kariertes Hemd, das über seinem beachtlichen Bauch beängstigend spannte. Er gab sich nicht die geringste Mühe, wie ein moderner Unternehmer zu wirken, sondern pflegte seine zupackende Rustikalität. Leonhard hatte den elterlichen Betrieb vor etwa dreißig Jahren übernommen und in kurzer Zeit zu einem der größten Bauunternehmen der Region aufgebaut. Er beteiligte sich an allen großen Ausschreibungen in Waldenthal und den Nachbargemeinden und erhielt erstaunlich oft den Zuschlag. Aktuell sanierten seine Arbeiter den Schlossplatz im Zentrum der Fußgängerzone und den angrenzenden Rossbrunnen, eines der Wahrzeichen der Stadt. Leonhard galt als Patriarch, der mit seinen Mitarbeitern äußerst ruppig umsprang, jedoch auch sehr fürsorglich sein konnte. Betriebsräte waren für ihn Teufelszeug, und die Gewerkschaft hatte ihn wegen seiner vordemokratischen Personalführung mehrfach öffentlich kritisiert. Gesellschaftlich trat er vor allem als Sponsor städtischer Veranstaltungen und diverser Sportvereine in Erscheinung. Velten wusste außerdem, dass er passionierter Jäger und Sportschütze war.
Der Baulöwe nahm am Kopfende des Tischs Platz und kam ohne große Umschweife zur Sache: „Also gut, Herr Velten, was kann ich für Sie tun?“
„Wir haben einige Fragen zur Pfaffenwiese . Meine Kollegin wird das Interview führen.“
Leonhard warf nun doch einen Blick auf Katjas Visitenkarte: „Frau Marcks, ich glaube, ich habe Sie noch nie in der Stadt gesehen. Assistieren Sie Herrn Velten?“
„Ich bin Mitglied der Lokalredaktion des Morgenkurier “, antwortete sie pikiert. Der Unternehmer glotzte sie nur an. Er verstand offensichtlich nicht, was diese Information mit seiner Frage zu tun hatte. Sie legte ihr Handy auf den Tisch: „Sind Sie damit einverstanden, dass ich das Gespräch mit dem Smartphone aufzeichne?“
Er zuckte die Achseln und warf Velten einen spöttischen Blick zu.
Katja war nicht anzumerken, ob sie von der demonstrativ zur Schau getragenen Geringschätzung ihres Gesprächspartners beeindruckt war. „Vorletzte Nacht ist die Stützmauer an der Zufahrt zum Industriepark Pfaffenwiese eingestürzt. Das Bauwerk wurde in den neunziger Jahren von Ihrem Unternehmen gebaut. Worauf führen Sie es zurück, dass die Wand nachgegeben hat?“
„Keine Ahnung. I ch bin ja kein Hellseher.“
Sie drehte ihren Tablet PC um: „Ich habe gestern einige Handyfotos geschossen. Vielleicht helfen die Aufnahmen ihnen ja dabei, sich einen Eindruck des Schadens zu machen.“ Sie zeigte ihm ein Dutzend der Schnappschüsse.
Leonhard kniff die Augen zusammen und begutachtete die Bilder: „Sieht so aus, als habe sich der Hang selbstständig
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