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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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beißt ihn. Er fickt sie. Sie fickt ihn. Er wirft sie hin, sie hält ihn mit durchgedrückten Armen weg, keuchend, wütend, erregt. Er wirft sich auf sie, sie knallt mit dem Hinterkopf auf den Boden, sieht sein schwitzendes Gesicht über sich. Und neben seinem Gesicht, im Türrahmen, Effis kalkweißes Gesicht. Leichenblass steht sie da, wendet sich langsam zur Seite, nimmt aus der Edelstahlvorrichtung ein Messer. Venus hört das Geräusch, als zöge jemand einenKrummsäbel aus der Scheide. Effi holt aus. Venus kann sich eben noch unter Johnny hervorrollen. Effi sticht zu wie eine Besessene. Sie schreit und sticht, schreit und sticht. Blut sprudelt aus Johnny, aus seinem Hals, seinem Bauch, seinem Arm, aus seinem Mund. Effi lässt das Messer fallen und geht.
    »Ich war es nicht«, wimmert Venus, die am Boden kniet, die vor ihrer Kotzepfütze am Boden auf dem Flur in God’s Motel kniet, mit tränenverschmiertem Gesicht.
    »Natürlich nicht. Es war Selbstmord. Gott ist sein Zeuge«, säuselt Toga, der bereits mit Reinigungsutensilien bewaffnet ist. Er nickt dem Gesprochenen hinterher. Oder er nickt seiner Liebesnacht hinterher. Jedenfalls nickt er.
    »Wir wissen das«, sagt Boone, der eben aus seinem Büro zurückkommt, wo er seine Dienstwaffe abgegeben und zum Ärger der Yuppie-Kollegen seinen Fall gelöst hat. Boone ist glücklich, seine Apfelblüte entlasten zu können. Er dankt im Geiste seiner Muhme Annie. Er dankt dem Schöpfer. Er dankt Bringfriede. Er fühlt sich verjüngt, inspiriert, verliebt. Er ist nicht länger alt. Er ist ein Liebender und Liebende sind alterslos. Liebende haben keine Gebrechen. Liebende haben keinen Seniorentarif. Liebende haben eine Gegenwart.
    »Das Alibi der Täterin beruhte auf der Falschaussage eines Kellners«, sagt er. »Ein gekaufter Zeuge. Es gab einen anonymen Anruf heute Nacht.« Wir waren es, wir haben Mau in den frühen Morgenstunden die Polizei anrufen lassen, die Duschhaube über die Sprechmuschel des öffentlichen Telefons gestülpt. Diesmal hatte er seine Geschwätzigkeit in den Dienst der Wahrheit gestellt.
    Weil wir viel von Symbolik halten, geht in diesem Moment mit einem elektrischen Brummen das Licht wieder an, erst flackernd, dann stetig. Da kniet sie, unsere Venus, das Albinohuhn, die Apfelblüte, die kein Steakmessermodel mehr ist. »Die Fahndung ist aufgehoben«, sagt Boone, dessen Glatze nun frei liegt, weil ihm Bringfriede gestern Nacht die geklebten Strähnen abgeschnitten hat. »Die Ehefrau ist geständig.«
    Venus, die nun auch Verena ist, starrt in Benitos totes Gesicht. Sie versucht, zu erfassen, was sie gewonnen und wieder verloren hat in den letzten Monaten. Sie steht wackelig auf und läuft davon. Es gibt nur einen Menschen, den sie jetzt sehen möchte.
    Sie sieht die Umrisse des Bliss Swami im miefigen ungelüfteten Morgendunst des Regenbogensaals. Er hockt da mit rundem Rücken. Er trägt wieder seine orange Mönchskutte. Er hat seinen knarzigen Schädel frisch mit dem Messer geschoren. Er bereut. Er büßt. Er schaukelt. Und nun, da sie sich wieder erinnert, weiß sie auch wieder, woran sie das Schaukeln erinnert: an die Tiere im Zoo. An gefangene Tiere, an Eisbären im Käfig. Sie erinnert sich an alles, an ihr ganzes Leben. Sie war oft im Zoo gewesen als kleines Mädchen, sie hatte zugesehen, wenn die Eisbären gefüttert wurden. Die Käfigtür stand dann sehr lange offen. Aber die Eisbären rührten sich nicht. Sie schaukelten nur. Sie standen auf ihren schmutzig-weißen Bärenfüßen und schaukelten. Sie waren so verwurzelt in ihrer Gefangenschaft, so zu Hause in ihrem Käfig, dass sie nicht fliehen konnten. Sie wussten gar nicht, was Flucht ist. Sie wussten nicht einmal, dass sie gefangen waren. Es ist die Natur des Glücklichen Sklaven, dass er unbefreibar ist. Venus wirft einen letztenBlick auf ihren schaukelnden Geliebten. Und plötzlich weiß sie, dass sie ihm nicht Goodbye sagen wird.
    Eine Eheanbahnung, die zum One-Night-Stand geschrumpft ist – natürlich ist das nicht das Happyend, was wir uns vorgestellt hatten, so wie etwa eine prunkvolle Hochzeit in der Tempelkirche oder wenigstens ein langer tränenreicher Zungenkuss. Aber wir wollen mal realistisch werden. Der Swami ruht bereits wieder in Krishnas Schoß. Und unsere Venus ist schon gar nicht mehr da, sie verblasst in Verena. Die Upper East Side hat ihre Prinzessin wieder, leicht lädiert, doch mopsfidel und frei von jeder Mordschuld. Die Zeit bei den Glücklichen Sklaven Gottes,

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