Verbannt
Herrschaft über den Wald zu erobern.«
Löwenpfote sah, wie Langschweifs Schwanzspitze zögerlich zuckte. Neugier krallte sich in seinen Bauch, während er begann, den Brombeerzweig in die Wand einzuflechten, um ein Loch in den Ästen der Heckenkirsche, die den Bau abschirmten, zu schließen. Er wollte Tigersterns Geschichte ebenso gerne hören wie die Jungen.
»Tigerstern war ein großer Krieger«, hob Langschweif schließlich an. »Er war die stärkste Katze im Wald und der beste Kämpfer. Als ich jung war, dachte ich, er würde der nächste Anführer des DonnerClans werden. Ich wollte so sein wie er«, fügte der hell getigerte Kater verlegen hinzu.
»Aber er war böse!«, platzte Fuchsjunges mit aufgerissenen Augen heraus.
»Das wussten wir damals nicht«, erklärte Langschweif. »Er hatte Rotschweif getötet, den Zweiten Anführer des DonnerClans, aber alle Katzen glaubten, Rotschweif sei im Kampf gestorben …«
Löwenpfotes Magen zog sich zusammen, als er dieser Erzählung von Mord und Verschwörung lauschte. Es war schwierig, weiterhin die Pfoten zu bewegen und die Ranke zu befestigen und dabei so zu tun, als wäre dies für ihn nur eine Geschichte wie für die beiden Jungen auch. Immerhin handelte sie von der Katze, deren Geist ihn im Wald besuchte und ihm beibrachte, ein Krieger zu sein.
»Tigersterns Ehrgeiz war sein Untergang«, schloss Langschweif. »Wäre er bereit gewesen, zu warten, bis ihm die Macht übertragen wurde, wäre er der größte Anführer des Waldes geworden.«
Löwenpfote entspannte sich. Es gab keinen Grund, warum er Tigerstern aus dem Weg gehen sollte. Der getigerte Kater hatte nun keinen Ehrgeiz mehr. Er war tot und konnte keine Pläne mehr schmieden.
Und er hatte nie vorgeschlagen, dass Löwenpfote gegen das Gesetz der Krieger verstoßen sollte. Er war sogar wütend gewesen, als er die Treffen mit Heidepfote in der Höhle entdeckte. Er wollte nur, dass Löwenpfote ein guter Krieger wurde. Vielleicht bedauerte Tigerstern, was er getan hatte, und versuchte das wiedergutzumachen, indem er dem DonnerClan half.
Löwenpfote ließ die Jungen zurück, die Langschweif mit Fragen plagten, und tappte nachdenklich aus dem Lager, um noch mehr Ranken zu holen.
3. KAPITEL
Distelpfote schob sich durch die Brombeerzweige in die Kinderstube und legte eine Amsel vor Minka ab. Rosenjunges und Unkenjunges lagen am Bauch ihrer Mutter, saugten hungrig und hatten die winzigen Schwänze hinter sich ausgestreckt.
»Danke«, miaute Minka und zog die Amsel mit der Pfote näher heran. »Die ist schön prall und dick.«
»Können wir auch was haben?« Fuchsjunges, der mit seiner Schwester kämpfte, setzte sich auf. »Ich bin am Verhungern!«
»Ganz bestimmt nicht«, erwiderte Rauchfell, seine Mutter. »Du bist alt genug, um dir deine eigene Frischbeute zu holen.«
»Dürfen wir?« Eisjunges Kopf tauchte aus dem Farn auf. »Ich könnte ein ganzes Kaninchen verdrücken.«
»Na gut«, miaute Rauchfell. »Bringt Millie auch was mit«, rief sie ihnen hinterher, als die beiden Jungen durch die Öffnung in den Brombeerzweigen ins Freie stürmten.
Millie blinzelte schläfrig aus ihrem Moosnest heraus. Ihr Bauch war riesig. Distelpfote vermutete, dass es nicht mehr lange dauerte, bis ihre Jungen geboren wurden.
»Danke«, schnurrte sie.
Rauchfell seufzte. »Es wird Zeit, dass die beiden zu Schülern ernannt werden. Sie brauchen Mentoren, die ein Auge auf sie haben.«
Distelpfote stimmte ihr schweigend zu, während sie die Kinderstube verließ und hinüber zum Frischbeutehaufen tappte, um ein Stück Beute für die Ältesten zu holen. Fuchsjunges und Eisjunges waren bereits da und balgten sich um einen Buchfinken.
»Was ist mit dem Essen für Millie?«, erinnerte Distelpfote die beiden.
»Oh, tut mir leid.« Fuchsjunges rappelte sich auf, packte ein paar Mäuse am Schwanz und sprang mit ihnen über die Lichtung davon.
Eisjunges stieß ein triumphierendes Schnurren aus und kauerte sich nieder, um den Buchfink zu fressen.
Distelpfote suchte in dem Haufen nach etwas Geeignetem für die Ältesten. Die Gerüche der Kinderstube hingen immer noch an ihr. Sie hatte das Gefühl, als sei das ganze Lager voller Jungen und trächtiger Königinnen.
Ob der Clan von mir erwartet, dass ich auch Junge bekomme?, fragte sie sich. Sie wusste, dass die Jungen die Zukunft des Clans darstellten, aber wenn sie darüber nachdachte, selbst Mutter zu werden, meinte sie, das Gewicht des ganzen Waldes auf ihren Schultern zu
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