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Gesicht.
Er hielt das Handtuch an die Stirn, während er sich duschte, und blinzelte. Dann schlug er mit der Faust so heftig gegen die Kacheln, dass er sich die Knöchel aufschürfte. Fuck you ! Dich krieg ich schon noch.
Als Lisbeth ihn am Arm berührte, zuckte er zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Er starrte sie so hasserfüllt an, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Sie gab ihm ein Stück Seife und ging wortlos zurück in die Küche.
Nachdem Mikael geduscht hatte, verpflasterte er seine Wunde. Er ging ins Schlafzimmer, zog sich saubere Jeans und ein frisches T-Shirt an und nahm die Mappe mit den ausgedruckten Bildern mit. Er war so wütend, dass er beinahe zitterte.
»Du bleibst hier«, brüllte er Lisbeth zu.
Er ging zu Cecilia hinüber, drückte anderthalb Minuten immer wieder auf die Türklingel, bis sie öffnete.
»Ich will dich nicht sehen«, sagte sie. Dann sah sie sein Gesicht und den blutgetränkten Verband. »Was hast du denn gemacht?«, entfuhr es ihr unwillkürlich.
»Lass mich rein. Wir müssen reden.«
Sie zögerte.
»Wir haben nichts zu bereden.«
»Jetzt haben wir etwas zu bereden, und du kannst es entweder hier auf der Treppe oder in der Küche mit mir diskutieren.«
Mikaels Stimme klang so aggressiv, dass Cecilia Vanger zur Seite trat und ihn hereinließ. Er marschierte zu ihrem Küchentisch.
»Was hast du gemacht?«, fragte sie noch einmal.
»Du behauptest, dass meine Suche nach der Wahrheit über Harriet nur eine fixe Idee von Henrik ist. Das mag sein, aber vor einer Stunde hat irgendjemand versucht, mir den Kopf wegzupusten, und heute Nacht hat jemand eine zerstückelte Katze vor meiner Haustür hinterlassen.«
Cecilia öffnete den Mund, aber Mikael ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Cecilia, es ist mir egal, was mit dir los ist und warum du plötzlich meinen bloßen Anblick nicht mehr ertragen kannst. Ich werde nie wieder in deine Nähe kommen, und du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dich weiter behelligen werde. In diesem Augenblick wünsche ich mir, ich hätte weder von dir noch von irgendeinem anderen Mitglied der Familie Vanger jemals etwas gehört. Aber ich will Antworten auf meine Fragen haben. Je schneller du antwortest, desto eher bist du mich los.«
»Was willst du wissen?«
»Erstens: Wo zum Teufel warst du vor einer Stunde?«
Cecilias Gesicht verfinsterte sich.
»Vor einer Stunde war ich in Hedestad. Ich bin vor einer halben Stunde zurückgekommen.«
»Kann jemand bezeugen, dich irgendwo gesehen zu haben?«
»Nicht dass ich wüsste. Ich brauche mich vor dir nicht zu rechtfertigen.«
»Zweitens: Warum hast du das Fenster in Harriets Zimmer geöffnet, an dem Tag, als sie verschwunden ist?«
»Was?«
»Du hast die Frage gehört. In all den Jahren hat Henrik versucht herauszufinden, wer das Fenster in Harriets Zimmer geöffnet hat, genau in den kritischen Momenten, als sie verschwunden sein muss. Alle haben es abgestritten. Einer lügt.«
»Und was in Dreiteufelsnamen bringt dich zu der Annahme, dass ich es war?«
»Dieses Bild«, erwiderte Mikael und pfefferte das unscharfe Foto auf ihren Küchentisch.
Cecilia kam an den Tisch und betrachtete das Bild. Mikael glaubte Staunen und Angst an ihr zu bemerken. Plötzlich bemerkte er, wie ein dünnes Blutrinnsal seine Wange herablief und auf sein T-Shirt tropfte.
»An diesem Tag waren ungefähr sechzig Personen auf der Insel«, erklärte er. »Achtundzwanzig von ihnen waren Frauen. Fünf oder sechs hatten schulterlanges blondes Haar. Eine Einzige von ihnen hatte ein helles Kleid an.«
Sie starrte intensiv auf das Bild.
»Und du glaubst, das da bin ich?«
»Wenn du es nicht bist, dann würde ich wahnsinnig gerne wissen, wer das deiner Meinung nach sein soll. Dieses Bild war bis dato unbekannt. Ich habe es jetzt seit ein paar Wochen und versuche, mit dir zu reden. Wahrscheinlich bin ich ein Idiot, aber ich habe es weder Henrik noch irgendjemand sonst gezeigt, weil ich furchtbare Angst hatte, dich falschen Anschuldigungen auszusetzen. Aber ich muss eine Antwort haben.«
»Du sollst deine Antwort haben.« Sie nahm das Bild und hielt es ihm hin. »Ich war an diesem Tag nicht in Harriets Zimmer. Das auf dem Bild bin nicht ich. Ich habe nicht das Geringste mit ihrem Verschwinden zu tun.«
Sie ging zur Tür.
»Du hast deine Antwort bekommen. Jetzt will ich, dass du gehst. Ich glaube, mit dieser Wunde da solltest du zu einem Arzt gehen.«
Lisbeth fuhr ihn ins
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