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dramatisch sinkt.«
»Sollen wir dieses Spiel nur redaktionsintern betreiben oder auch anderen Medien gegenüber?«, fragte Monika.
»Haltet das Ganze redaktionsintern. Falls die Nachricht irgendwo anders auftaucht, dann wissen wir, wer sie weitergetragen hat. Und wenn ihr in ein paar Monaten darauf angesprochen werdet, dann könnt ihr einfach antworten, es seien nur böswillige Gerüchte gewesen. Das Beste, was überhaupt passieren könnte, wäre, dass Dahlman loszieht und anderen Massenmedien entsprechende Tipps gibt. Dann steht er hinterher da wie der letzte Idiot. Wenn ihr Dahlman den einen oder anderen Tipp für eine glaubwürdige, aber vollkommen hirnrissige Story geben könnt, dann ist das völlig in Ordnung.«
Zwei Stunden lang heckten sie ein Szenario aus und verteilten die Rollen.
Nach dem Treffen ging Mikael mit Christer Malm bei Java an der Horngata Kaffee trinken.
»Es ist wahnsinnig wichtig, dass du Erika schon in Arlanda abfängst und sie ins Bild setzt, Christer. Du musst sie davon überzeugen, das Spiel mitzuspielen. Wie ich sie kenne, wird sie sich Dahlman sofort vorknöpfen wollen, aber das darf auf keinen Fall passieren. Ich will, dass Dahlman nicht den geringsten Verdacht hat, damit er nicht noch Beweismaterial verschwinden lassen kann.«
»Okay.«
»Und sieh zu, dass Erika keine E-Mails schreibt, bevor sie das Verschlüsselungsprogramm PGP installiert hat und damit umgehen kann. Über Dahlman kann Wennerström wahrscheinlich alles lesen, was wir uns gegenseitig mailen. Ich will, dass du und alle anderen PGP auf euren Rechnern installiert. Lass es ganz natürlich aussehen. Du bekommst den Namen eines Beraters und lässt ihn das Netzwerk und die Computer in der Redaktion überprüfen. Lass ihn die Programme installieren, als wäre das eine ganz normale Sicherheitsvorkehrung.«
Christer Malm sah verlegen aus.
»Ich habe dir immer vertraut, Mikael. Soll das bedeuten, dass du mir nicht mehr vertraust?«
Mikael lachte.
»Nein. Aber momentan gehe ich einer kriminellen Aktivität nach, die mir zwei Jahre Gefängnis einbringen kann. Meine Recherchemethoden sind sozusagen ein bisschen zweifelhaft … Ich spiele mit ebenso ›fairen‹ Methoden wie Wennerström, und ich will nicht, dass du oder Erika oder jemand sonst von Millennium da mit hineingezogen wird.«
»Du beherrschst die Kunst, mich nervös zu machen.«
»Beruhig dich. Und sag Erika, die Story wird groß. Richtig groß.«
»Erika wird wissen wollen, was du da treibst.«
Mikael überlegte kurz. Dann lächelte er.
»Richte ihr aus, als sie im Frühjahr hinter meinem Rücken den Vertrag mit Henrik Vanger aufgesetzt hat, hat sie mir deutlich gemacht, dass ich ab jetzt keinen Einfluss mehr auf die Geschäftspolitik von Millennium habe. Das heißt dann ja wohl auch, dass ich sie nicht mehr informieren muss. Aber ich verspreche, wenn sie sich gut benimmt, dann hat sie das Vorkaufsrecht auf meine Story.«
Christer Malm musste plötzlich loslachen.
»Sie wird rasen vor Wut«, stellte er fröhlich fest.
Mikael musste sich eingestehen, dass er nicht ganz ehrlich zu Christer gewesen war. Er ging Erika bewusst aus dem Weg. Normalerweise hätte er direkt Kontakt mit ihr aufnehmen und sie einweihen müssen. Aber er wollte nicht mit ihr reden. Dutzende von Malen hatte er das Handy in die Hand genommen, um sie anzurufen. Und jedes Mal hatte er es sich wieder anders überlegt.
Er wusste, wo das Problem lag. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen.
Die Vertuschung, an der er sich in Hedestad beteiligte, war vom journalistischen Standpunkt aus einfach unverzeihlich. Er hatte keine Ahnung, wie er es ihr erklären sollte, ohne zu lügen, und wenn es etwas auf der Welt gab, das er niemals tun wollte, dann war es Erika anzulügen.
Und vor allem konnte er sich damit nicht auseinandersetzen, solange er mit Wennerström beschäftigt war. Also schob er ihr Treffen auf, schaltete sein Handy aus und verzichtete darauf, mit ihr zu reden. Er wusste jedoch, dass das nur ein Aufschub war.
Unmittelbar nach der Redaktionssitzung zog Mikael in sein Sommerhäuschen in Sandhamn, wo er seit einem Jahr nicht mehr gewesen war. In seinem Gepäck befanden sich zwei Kartons mit ausgedrucktem Material und die CDs, die Lisbeth ihm mitgegeben hatte. Er kaufte Lebensmittel auf Vorrat, schloss sich ein, klappte sein iBook auf und begann zu schreiben. Jeden Tag machte er einen kurzen Spaziergang, holte Zeitungen und kaufte ein. Im Gästehafen lagen immer noch lauter
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