Verblendung
Segelboote, und all die Jugendlichen, die sich Papis Boot ausgeliehen hatten, hockten wie immer in der Taucherbar und betranken sich sinnlos. Mikael nahm seine Umwelt kaum wahr. Er saß praktisch von morgens, wenn er die Augen aufschlug, bis abends, wenn er vor Erschöpfung fast umfiel, vor seinem Computer.
Verschlüsselte E-Mail Chefredakteurin an den verantwortlichen Herausgeber :
Mikael, ich muss wissen, was hier läuft - Herrgott noch mal, ich komme aus dem Urlaub nach Hause ins totale Chaos. Die Neuigkeit über Janne Dahlman und dieses doppelte Spiel, das du dir ausgedacht hast. Martin Vanger ist tot. Harriet lebt. Was ist da oben in Hedeby eigentlich los? Wo bist du? Gibt es irgendeine Story? Warum gehst du nicht ans Handy? E. P. S.: Die Stichelei wegen letztem Frühjahr, die Christer mir genüsslich übermittelt hat, habe ich verstanden. Das zahle ich dir heim. Bist du im Ernst sauer auf mich?
Von an :
Hallo, Ricky. Nein, um Gottes willen, ich bin nicht sauer. Entschuldige, dass ich dich nicht auf dem Laufenden gehalten habe, aber in den letzten Monaten war mein Leben eine Achterbahn. Ich werde dir alles erzählen, wenn wir uns wiedersehen, aber nicht via E-Mail. Ich bin momentan in Sandhamn. Es gibt eine Story, aber Harriet Vanger ist es nicht. Ich werde die nächste Zeit hier nicht wegkommen. Danach ist aber alles vorbei. Vertrau mir. Gruß und Kuss, M.
Von an :
Sandhamn? Ich komme dich sofort besuchen.
Von an :
Ich will im Moment keinen Besuch. Warte ein paar Wochen, zumindest bis ich den Text so weit in Ordnung habe. Außerdem erwarte ich noch anderen Besuch.
Von an :
Dann werde ich selbstverständlich nicht kommen. Aber ich muss wissen, was hier läuft. Henrik Vanger ist wieder Geschäftsführer und geht nicht ans Telefon, wenn ich anrufe. Wenn die Vereinbarung mit Vanger irgendwie geplatzt ist, dann muss ich das wissen. Im Moment weiß ich gar nicht, was ich tun soll. Ich muss wissen, ob das Magazin überlebt oder nicht. Ricky
P. S.: Wer ist sie?
Von an :
Hallo, Erika. Erstens: Du kannst völlig beruhigt sein, Henrik wird sich nicht zurückziehen. Aber er hatte einen schweren Herzanfall und arbeitet momentan wenig. Ich schätze, dass das Chaos nach Martins Tod und Harriets Wiederauferstehung seine ganze Kraft beansprucht. Zweitens: Millennium wird überleben. Ich arbeite derzeit an der wichtigsten Reportage unseres Lebens, und wenn wir damit an die Öffentlichkeit gehen, dann vernichten wir Wennerström ein für alle Mal. Drittens: Mein Leben steht gerade Kopf, aber du und ich und Millennium - da hat sich nichts verändert. Vertrau mir. Küsschen. Mikael.
P. S.: Ich werde Euch einander vorstellen, sobald sich die Gelegenheit ergibt. Sie wird dir einen Floh ins Ohr setzen.
Als Lisbeth ihn in Sandhamn besuchen kam, traf sie einen unrasierten und hohläugigen Mikael an, der sie nach flüchtiger Umarmung bat, Kaffeewasser aufzusetzen und zu warten, bis er seinen Text abgeschlossen hatte.
Lisbeth sah sich in der Hütte um und stellte fast sofort fest, dass sie sich hier wohlfühlte. Das Häuschen stand direkt am Wasser, zwei Meter von der Eingangstür war der Bootssteg. Es war nur sechs mal fünf Meter groß, aber so hoch, dass man über eine Wendeltreppe zum Schlafgeschoss hinaufsteigen konnte. Sie konnte aufrecht stehen, Mikael musste den Kopf einziehen. Als sie das Bett inspizierte, stellte sie fest, dass es breit genug für sie beide war.
Die Hütte hatte ein großes Fenster zum Meer hin, direkt neben der Eingangstür. Dort stand Mikaels Küchentisch, der gleichzeitig als Schreibtisch diente. An der Wand neben dem Tisch stand ein Regal mit einem CD-Player, einer großen Elvis-Presley-Sammlung und ein bisschen Hardrock - in puncto Musik vielleicht nicht gerade Lisbeths erste Wahl.
In einer Ecke stand ein Kachelofen mit Glasfront. Ansonsten bestand die Möblierung nur aus einem großen Kleiderschrank, der an der Wand festgemacht war, und einer Spüle, die man zur Badezimmernische umfunktionieren konnte, indem man den Duschvorhang rundherum zuzog. Dort gab es ein weiteres Fenster. Die ganze Hütte war wie eine Kajüte
Weitere Kostenlose Bücher