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aber ich weiß ohne jeden Zweifel, dass Wennerström bei anderen Gelegenheiten unehrlich gewesen ist. Die Wennerström-Affäre hat Mikael Blomkvists Leben in höchstem Maße beeinflusst, und ich will wissen, ob etwas an Ihren Spekulationen dran ist.«
Das Gespräch hatte eine unerwartete Wendung genommen, und Armanskij war sofort hellwach. Frodes Anliegen bedeutete, dass Milton Security weitere Untersuchungen in einer bereits ad acta gelegten Strafsache anstellen sollte, während deren Verhandlung Mikael Blomkvist möglicherweise rechtswidrig bedroht worden war. Mit so etwas lief Milton potenziell Gefahr, mit Wennerströms Rechtsanwaltsimperium aneinanderzugeraten. Die Vorstellung, Salander in so einer Angelegenheit wie ein unkontrollierbares Cruisemissile loszulassen, fand Armanskij nicht unbedingt amüsant.
Das hatte nicht nur mit seiner Sorge um die Firma zu tun. Salander hatte hinreichend deutlich gemacht, dass ihr Armanskij in der Rolle des beunruhigten Stiefpapas überhaupt nicht zusagte, und nachdem sie darüber einig gewesen waren, hatte er sorgfältig darauf geachtet, nicht als solcher aufzutreten. Innerlich konnte er allerdings nie aufhören, sich um sie zu sorgen. Manchmal ertappte er sich dabei, wie er Salander mit seinen eigenen Töchtern verglich. Er hielt sich für einen guten Vater, der sich nicht übertrieben ins Privatleben seiner Töchter einmischte, aber ihm war auch klar, dass er es niemals akzeptieren würde, wenn sie sich wie Lisbeth Salander benehmen oder ihre Art Leben führen würden.
In den Tiefen seines serbischen - vielleicht auch bosnischen oder armenischen - Herzens war er die Überzeugung nie losgeworden, dass Salanders Leben in voller Fahrt auf eine Katastrophe zusteuerte. Seiner Meinung nach bot sie sich als geradezu perfektes Opfer für jemanden an, der ihr übel wollte, und ihm graute vor dem Morgen, an dem er mit der Neuigkeit geweckt werden würde, dass ihr jemand Schaden zugefügt hatte.
»Eine solche Untersuchung kann ziemlich teuer werden«, unternahm Armanskij einen vorsichtigen Abschreckungsversuch, um zu sondieren, wie ernst es Frode mit seiner Anfrage war.
»Wir müssen freilich eine Obergrenze festlegen«, erwiderte Frode nüchtern. »Ich verlange nichts Unmögliches von Ihnen, aber es ist ganz offensichtlich, wie Sie mir ja selbst versicherten, dass Ihre Mitarbeiterin äußerst kompetent ist.«
»Salander?«, fragte Armanskij mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ich habe gerade nichts anderes laufen«, sagte sie.
»Okay. Aber ich hätte gerne, dass wir uns über die Bedingungen dieses Auftrages einig sind. Lassen Sie uns noch den Rest Ihres Berichtes hören.«
»Nur noch ein paar Details aus seinem Privatleben. 1988 heiratete er eine Frau namens Monica Abrahamsson, und im selben Jahr bekamen sie eine Tochter, Pernilla. Sie ist heute sechzehn. Die Ehe hielt nicht lange, die beiden wurden 1991 geschieden. Frau Abrahamsson hat wieder geheiratet, aber die zwei sind offensichtlich immer noch befreundet. Die Tochter wohnt bei ihrer Mutter und trifft ihren Vater nicht sonderlich oft.«
Frode bat um einen weiteren Kaffee aus der Thermoskanne und wandte sich dann wieder an Salander.
»Zu Beginn haben Sie angedeutet, dass jeder Mensch Geheimnisse hat. Haben Sie welche gefunden?«
»Damit wollte ich sagen, dass jeder Mensch gewisse Dinge hat, die er als privat betrachtet und die er nicht unbedingt öffentlich macht. Blomkvist ist ein Frauentyp. Er hat mehrere Affären und jede Menge Zufallsbekanntschaften gehabt. Um es kurz zu machen - er hat ein buntes Sexleben. Eine Person taucht jedoch seit vielen Jahren immer wieder in seinem Leben auf, und das ist ein ziemlich ungewöhnliches Verhältnis.«
»Inwiefern?«
»Er unterhält eine sexuelle Beziehung zu Erika Berger, der Chefredakteurin von Millennium ; Tochter aus guten Hause, schwedische Mutter, belgischer Vater mit Wohnsitz in Schweden. Berger und Blomkvist kennen sich seit dem Journalistikstudium und haben seitdem immer wieder ein Verhältnis gehabt.«
»Das ist doch nichts Ungewöhnliches«, meinte Frode.
»Nein, das nicht. Aber Erika Berger ist mit dem Künstler Greger Beckman verheiratet - so ein B-Promi, der in öffentlichen Räumen jede Menge schauderhaftes Zeug ausgestellt hat.«
»Sie ist ihm untreu?«
»Nein. Beckman weiß von ihrem Verhältnis. Eine ménage à trois , die anscheinend von allen drei Beteiligten akzeptiert wird. Mal schläft sie bei Blomkvist, mal bei ihrem Mann. Ich weiß nicht
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