Verblendung
Frau war Jüdin und Lobach damit Vater einer jüdischen Tochter mitten in Nazideutschland. Er hatte praktisch seine Rasse verraten.«
»Oh, das verändert die Situation zweifellos. Was geschah weiter?«
»Ediths Mutter wurde 1939 verhaftet. Sie verschwand, und wir können nur mutmaßen, wie ihr Schicksal aussah. Es war bekannt, dass sie eine Tochter hatte, die noch auf keiner Deportationsliste stand und nun von der Abteilung der Gestapo gesucht wurde, die flüchtige Juden verfolgte. Im Sommer 1941, in derselben Woche, als ich in Hamburg ankam, war Ediths Mutter mit Hermann Lobach in Verbindung gebracht worden, und man bestellte ihn zum Verhör. Er gab das Verhältnis und seine Vaterschaft zu, behauptete aber, er habe keine Ahnung, wo sich seine Tochter aufhalte. Er habe zehn Jahre keinen Kontakt mit ihr gehabt.«
»Und wo war seine Tochter?«
»Ich bin ihr jeden Tag in Lobachs Wohnung begegnet. Ein nettes, stilles zwanzigjähriges Mädchen, das mein Zimmer sauber machte und beim Auftragen des Abendessens half. 1937 war die Judenverfolgung schon ein paar Jahre im Gange, und Ediths Mutter hatte Lobach um Hilfe angefleht. Und er hatte ihr tatsächlich geholfen - Lobach liebte seine uneheliche Tochter genauso wie seine ehelichen Kinder. Er hatte sie an der unwahrscheinlichsten Stelle überhaupt versteckt, indem er sie seiner Umgebung direkt vor die Nase setzte. Er hatte ihr falsche Papiere verschafft und sie als Haushälterin angestellt.«
»Wusste seine Frau davon?«
»Nein, sie hatte keine Ahnung von diesem Arrangement.«
»Was passierte dann?«
»Vier Jahre lang ging es gut, aber Lobach merkte, wie die Schlinge sich langsam zuzog. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Gestapo an seine Tür klopfen würde. All das erzählte er mir in dieser Nacht, nur eine Woche vor meiner Heimfahrt nach Schweden. Dann holte er seine Tochter und stellte uns einander vor. Sie war still und blass und wagte mir kaum in die Augen zu sehen. Lobach flehte mich an, ihr Leben zu retten.«
»Wie?«
»Er hatte alles vorbereitet. Eigentlich sollte ich noch drei Wochen bleiben, dann mit dem Nachtzug nach Kopenhagen fahren und die Fähre über den Sund nehmen - auch in Kriegszeiten eine relativ ungefährliche Reise. Doch zwei Tage nach unserer Unterredung sollte ein Frachtschiff des Vanger-Konzerns aus Hamburg Richtung Schweden ablegen. Lobach wollte mich nun mit diesem Schiff schicken, auf direktem Weg hinaus aus Deutschland. Die Änderungen der Reisepläne mussten vom Sicherheitsdienst abgesegnet werden, eine bürokratische Maßnahme, aber kein Problem. Lobach wollte jedenfalls, dass ich mit dem Schiff fuhr.«
»Zusammen mit Edith, nehme ich an.«
»Edith wurde in einer von dreihundert Kisten mit Maschinenteilen an Bord geschmuggelt. Für den Fall, dass sie entdeckt werden sollte, während wir uns noch in deutschen Hoheitsgewässern befanden, sollte ich sie beschützen und den Kapitän davon abhalten, Dummheiten zu machen. Ansonsten sollte ich warten, bis wir ein gutes Stück von Deutschland entfernt waren, und sie dann aus ihrem Versteck befreien.«
»Ich verstehe.«
»Es klang einfach, aber die Reise geriet zum Alptraum. Der Kapitän hieß Oskar Granath, und er war alles andere als begeistert davon, die Verantwortung für einen Erben seines Arbeitgebers übernehmen zu müssen. Wir legten eines Abends Ende Juni gegen neun Uhr ab und waren gerade auf dem Weg aus dem Binnenhafen, da begannen die Sirenen zu heulen: Bombenalarm. Ein englischer Bombenangriff, der heftigste, den ich erlebt hatte, und der Hafen war natürlich ein bevorzugtes Ziel. Ich übertreibe nicht, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich mir fast in die Hosen machte, als die Detonationen immer näher kamen. Aber irgendwie schafften wir es, und nach einem Motorschaden und einer wüsten Sturmnacht in minenverseuchtem Gewässer liefen wir am nächsten Tag in Karlskrona ein. Jetzt wollen Sie von mir wissen, was mit dem Mädchen geschah.«
»Ich glaube, ich weiß es schon.«
»Mein Vater tobte natürlich vor Wut. Ich hatte durch mein idiotisches Unterfangen alles aufs Spiel gesetzt. Und das Mädchen konnte jederzeit deportiert werden - vergessen Sie nicht, wir schrieben das Jahr 1941. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich bereits unsterblich in sie verliebt, wie Lobach in ihre Mutter. Ich fragte sie, ob sie meine Frau werden wollte, und stellte meinem Vater ein Ultimatum - entweder er akzeptierte die Ehe, oder er musste sich anderweitig nach Nachwuchs fürs
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